RVG VV Nr. 1000
Leitsatz
- Nach neuem Recht ist ein Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs wechselseitig, wenn beide Beteiligten Versorgungsanwartschaften erworben haben.
- Bei einem derart wechselseitigen Verzicht der Beteiligten steht dem mitwirkenden Rechtsanwalt eine Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) zu.
OLG Hamm, Beschl. v. 28.7.2011 – 6 WF 100/11 u. 101/11
1 Sachverhalt
Die Ehe der Beteiligten des Ausgangsverfahrens, das seit Januar 2010 anhängig war, ist durch rechtskräftigen Beschluss des AG geschieden worden. Zuvor hatten die früheren Eheleute im Termin unter Mitwirkung der ihnen im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Beteiligten zu 1) und 2) eine Vereinbarung getroffen, durch die sie den Versorgungsausgleich ausgeschlossen haben.
Die Beteiligten zu 1) und 2) meinen nunmehr, aus der Landeskasse auch eine Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) nach einem für die Folgesache "Versorgungsausgleich" festgesetzten Wert beanspruchen zu können. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des AG ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat die Einigungsgebühren abgesetzt.
Die gegen diese Beschlüsse gerichteten Erinnerungen der Beteiligten zu 1) und 2) hat die zuständige Richterin des AG zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1) und 2) mit ihren Beschwerden.
2 Aus den Gründen
Die zulässigen Beschwerden sind begründet. Die angefochtenen Beschlüsse sind abzuändern. Die Beteiligten zu 1) und 2) haben jeweils auch Anspruch auf eine Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV).
Zwar entsteht nach der bisherigen ständigen Rspr. des Senats (vgl. die Beschl. v. 29.3.2007 – 6 WF 91/07, v. 8.1.2007 – 6 WF 171/06, u. v. 25.1.2007 – 6 WF 360/06, OLGR 2007, 230 f.) beim Verzicht auf den Versorgungsausgleich in den Fällen, in denen der Ausgleichspflichtige und die Höhe des Ausgleichsanspruchs feststehen, keine Einigungsgebühr. Diese Rspr. beruht darauf, dass sich nach bisherigem Recht der Ausgleichsanspruch als Ergebnis der Bilanzierung der wechselseitigen Ansprüche darstellte und ein Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs deshalb einseitig war.
An dieser Rspr. kann jedoch – im Einklang mit den Ausführungen des Beteiligten zu 4) in dessen vom Senat eingeholter Stellungnahme v. 24.6.2011 und, soweit neues Recht anzuwenden ist, in Übereinstimmung mit der Rspr. des OLG Frankfurt (FamRZ 2010, 922 [= AGS 2010, 424]) – nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (VersAusglG) am 1.9.2009, in den Fällen, die dem neuen Recht unterfallen und in denen – wie hier – beide Beteiligte des Versorgungsausgleichsverfahrens Versorgungsanwartschaften erworben haben, nicht mehr festgehalten werden. Nach neuem Recht ist ein Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs dann, wenn beide Beteiligte Versorgungsanwartschaften erworben haben, nicht mehr einseitig, sondern wechselseitig. Das folgt daraus, dass nach den §§ 10 ff. VersAusglG kein "Einmalausgleich" mehr vorzunehmen ist, sondern ein "Hin- und Herausgleich" der jeweiligen Anrechte; dabei ist jedes Recht einzeln zu betrachten und auszugleichen. Die jeweiligen Gründe für den wechselseitigen Verzicht sind dabei ebenso unbeachtlich wie die Tatsache, dass der eine Teil im wirtschaftlichen Ergebnis mehr gibt bzw. erhält als der andere, da hierauf bei der rein formalen Betrachtung, ob rechtlich und tatsächlich lediglich ein einseitiger Verzicht vorliegt, nicht abgestellt werden kann.
Den Beteiligten zu 1) und 2) steht deshalb angesichts der unter ihrer Mitwirkung abgeschlossenen Vereinbarung, die nicht nur einen einseitigen Verzicht darstellt, jeweils auch eine Einigungsgebühr zu.