RVG VV Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104; Vorbem. 3 Abs. 3
Leitsatz
Wird der gem. § 155 Abs. 2 FamFG vorgeschriebene Erörterungstermin in einer Kindschaftssache gem. § 155 Abs. 1 FamFG tatsächlich nicht durchgeführt, entsteht keine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV (im Anschluss an OLG Celle AGS 2011, 590 – gegen OLG Stuttgart AGS 2010, 586).
OLG München, Beschl. v. 24.1.2012 – 11 W 126/12
1 Sachverhalt
Der Antragsteller wollte durch ein familiengerichtliches Verfahren persönlichen Umgang mit der in der Obhut der Kindsmutter lebenden gemeinsamen Tochter erreichen. Ein vom zuerst befassten FamG Wolfratshausen anberaumter Anhörungstermin wurde abgesetzt, nachdem die Beteiligten einvernehmlich die Verweisung des Verfahrens an das FamG München beantragt hatten. Dort wurde der Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Rechtsanwältin bewilligt. In der Folge legte das Jugendamt eine ausführliche Stellungnahme vor, in der es sich gegen den beantragten Umgang aussprach. Daraufhin nahm der Antragsteller den Antrag zurück. Ein Anhörungstermin fand nicht mehr statt.
Anschließend beantragte die beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin die Festsetzung ihrer Vergütung gegenüber der Landeskasse, darunter auch eine 1,2-Terminsgebühr. Die Kostenbeamtin des FamG setzte die Terminsgebühr ab.
Die hiergegen eingelegte Erinnerung wies das FamG München zurück.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Rechtsanwältin. Sie trägt vor, die Terminsgebühr sei durch Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts nach Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Var. VV entstanden. Sie habe umfassende Telefonate mit dem Jugendamt über das weitere Verfahren geführt, ebenso mit dem Psychologen der Antragsgegnerin. Sie habe auch den vormals angesetzten Termin mit der Gegenseite vorbesprochen und eine Einigung über die Verweisung erzielt. Es sei "im Endeffekt" auch abgestimmt worden, dass bis zu einer gerichtlichen Entscheidung kein Umgang mit dem Antragsteller stattfinden solle. Mit der Richterin des AG Wolfratshausen sei schließlich die Absetzung des Termins besprochen worden. Die Angelegenheit sei komplex gewesen, elterliche Sorge und Umgang für drei auffällige traumatisierte Kinder seien zu regeln gewesen.
Die Beschwerde, der das FamG nicht abgeholfen hat, hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Gem. Vorbem. 3 Abs. 3 VV in der seit 1.9.2009 gültigen Fassung entsteht eine Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin (1. Var.) oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts (3. Var.).
Ein Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin hat im vorliegenden Fall nicht stattgefunden.
Ebenso sind die Voraussetzungen von Vermeidungs- oder Erledigungsgesprächen nicht erfüllt worden. Nicht jegliche Besprechungen oder Telefonate mit anderen Verfahrensbeteiligten lösen eine Terminsgebühr aus. Vielmehr muss die Besprechung entweder der Vermeidung des Verfahrens (hier nicht einschlägig) oder seiner Erledigung gedient haben. Dies kann nur durch Besprechungen mit dem Antragsgegner erreicht werden. Eine Erledigung liegt vor, wenn der Gegner den Anspruch anerkennt, der Antrag zurückgenommen wird, eine Einigung durch Vergleich oder eine übereinstimmende Erledigterklärung mit Kosteneinigung erzielt wird (siehe Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG, 19. Aufl., Vorbem. 3 Rn 109) und hierfür die Besprechung des Anwalts mit der Gegenpartei oder ihrem Prozessbevollmächtigten kausal war.
Diese Voraussetzungen sind in der Beschwerdeschrift nicht vorgetragen. Zwar hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin umfangreiche Telefonate mit dem Jugendamt vorgetragen, dieses ist aber nicht der Verfahrensgegner der Antragsgegnerin gewesen. Weitere Telefonate mit dem gegnerischen Anwalt und dem Gericht wurden wegen Verfahrensfragen wie der Zuständigkeit des Gerichts und der Verweisung des Rechtsstreits geführt, was aber ebenfalls keine Terminsgebühr auslöst (Müller-Rabe a.a.O., Rn 114).
2. Eine Terminsgebühr ist auch nicht nach Nr. 3104 VV i.V.m. § 155 Abs. 2 FamFG entstanden, da die dort vorgeschriebene Erörterung mit den Beteiligten eines Kindschaftsverfahrens nicht einer mündlichen Verhandlung i.S.v. Nr. 3104 VV gleichzusetzen ist. Nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV entsteht eine Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Auch diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Insoweit folgt der Senat der Auffassung des OLG Celle, wonach bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, insbesondere der ausdrücklichen Unterscheidung der Begriffe mündliche Verhandlung, Erörterung und Beweisaufnahme in der Vorbem. 3 Abs. 3 VV folgt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Begriff mündliche Verhandlung nicht als übergeordneter Begriff im gebührenre...