Auch anwaltliches Gebührenrecht ist Recht!

Diese Beurteilung mag dem Leser als Feststellung einer Selbstverständlichkeit merkwürdig vorkommen, findet ihre Rechtfertigung aber – wieder einmal – in der vorstehenden Entscheidung des IX. Senats.

Die Gebührenreferenten von Rechtsanwaltskammern können ein Lied davon singen, mit welcher Nachlässigkeit Rechtsanwälte ihre eigenen Gebührenprozesse führen. Diese Nachlässigkeiten beginnen oftmals nicht erst im Gebührenprozess, sondern haben ihren Ursprung schon darin, dass sich manche Kanzleien weigern, wenigstens einen aktuellen Kommentar zum RVG in ihrer Bibliothek zu führen. So mancher Vergütungsanspruch lässt sich dann nicht durchsetzen, weil man nicht nur mit einer überholten Kommentierung, sondern sogar mit einem alten Gesetzestext gearbeitet hat.

Auch heute noch gibt es nicht wenige Anwälte, denen beispielsweise die Einführung von § 34 RVG am 1.7.2006 unbekannt ist, und die seit dem 1.7.2004 eingeführte Hinweispflicht auf die Abhängigkeit der Gebühren vom Gegenstandswert wird ebenfalls nicht immer beachtet und zur Kenntnis genommen.

Wenn also auf bemerkenswerte Weise Gebührenansprüche am aktuellen Gesetzestext scheitern, so kann dies eigentlich nur auf die fehlende Anerkennung des anwaltlichen Gebührenrechts als eigenständiges Rechtsgebiet zurückgeführt werden, will man den beteiligten Anwälten nicht grundsätzlich unterstellen, auch sonstige Mandate mit bemerkenswerter Inkompetenz zu bearbeiten.

Die Folgen einer Ignoranz im Hinblick auf das eigene Vergütungsrecht sind in der Entscheidung von 3.11.2011 in bemerkenswerter Weise nachzulesen. Hier kommt sogar zum Ausdruck, dass Anwälte offensichtlich "in eigener Sache" selbst das allgemeine Vertragsrecht nicht berücksichtigen.

Überraschend ist es wohl kaum, was sich an allgemeinen Ausführungen in der Entscheidung über das Zustandekommen einer Vergütungsvereinbarung nachlesen lässt.

Dass unabhängig vom Mandatsvertrag eine Vergütungsvereinbarung einen eigenen vertraglichen Charakter hat, der Vertrag also erst mit Annahme eines Angebotes zustande kommt, sind nun wirklich Allgemeinplätze, die jedem Juristen geläufig sein sollten.

Will man also noch unterstellen und nachvollziehen, dass die klagenden Rechtsanwälte Mitte Juni 2008 noch den alten Gesetzestext berücksichtigten, weil sie den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung noch im selben Monat erwarteten, so hätten sie bereits reagieren müssen, als die Reaktion der Mandantschaft erst im nächsten Monat erfolgte und zwar ganz unabhängig davon, dass der Text jetzt auch noch unter den Unterschriften mit Änderungen versehen war.

Wer sich auch in eigenen Angelegenheiten wie bei Fremdmandaten dem sog. "sichersten Weg" verbunden fühlt, kommt eigentlich von selbst darauf, dass eine Vereinbarung erst mit der zweiten Willenserklärung wirksam wird.

Erfolgt diese nach dem Stichtag, zu dem ein neues Gesetz in Kraft getreten ist, ist spätestens der Zeitpunkt gekommen, sich mit einschlägigen Übergangsregelungen zu beschäftigen.

Und dann wäre man unschwer auf § 61 Abs. 2 RVG gestoßen.

Aber auch dann, wenn man dem Weg des BGH nicht folgen wollte, der zu seinem Ergebnis über den Rechtsgedanken von § 61 Abs. 2 RVG kommt, wird man schon nach allgemeinem Vertragsrecht einen Vertrag dem Recht zu unterstellen haben, das gilt, wenn der Vertrag erstmals wirksam wird.

In dem vorliegenden Fall bestand aber Anlass zu einer noch erhöhten Aufmerksamkeit, weil die Mandantin den Vertragstext ganz entscheidend veränderte und das noch unter der von ihr vorgenommenen Unterschrift.

Ungeachtet der natürlich zutreffenden Hinweise auf die jetzt fehlende Textform nach neuem geltendem Recht, auf die der BGH abstellt, hätten die Anwälte reagieren müssen.

Auch ohne Beachtung des nunmehr geltenden § 3a RVG sah man sich mit einer "unklaren Rechtslage" konfrontiert und hätte auf einen neuen abschließenden, von beiden Seiten akzeptierten Text hinwirken müssen.

Dass das Erfordernis der Textform, das eigentlich Erleichterungen bringen sollte, in der Praxis zu Schwierigkeiten führen würde, war schon früh bekannt und mit Warnhinweisen von Praktikern versehen worden.[1]

Dass das Gesetz, das ursprünglich nur in beschränktem Maße den Abschluss von Erfolgshonorarvereinbarungen ermöglichen sollte, das Recht der Vergütungsvereinbarung grundlegend geändert hat, mussten die klagenden Rechtsanwälte hier ganz besonders schmerzhaft erfahren.

Während die Beklagte jedenfalls unter dem bis zum 30.6.2008 geltenden Recht wenigstens mit ihrer Widerklage fraglos an ihren freiwilligen vorbehaltlosen Zahlungen gescheitert wäre, konnten ihr aufgrund des "neuen" Gesetzes alle Instanzen auch den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch in voller Höhe zubilligen, eben weil dem Rechtsanwalt in solchen Fällen nunmehr nur noch § 814 BGB zur Seite steht.

Dass dessen Voraussetzungen fast nie vorliegen, ist ein weiterer Allgemeinplatz, mit dem diese Anmerkung schließen soll.

Die klagenden Anwälte haben dann ja naturgemäß auch nicht einmal versucht, zu den strengen Vorau...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?