RVG § 15 Abs. 5 S. 2
Leitsatz
Wird ein Ehescheidungsverfahren von beiden Beteiligten nicht betrieben und hat der beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte eine Vergütung erhalten, erhält er dieselbe Vergütung nicht noch einmal, wenn das Verfahren mehrere Jahre später fortgeführt wird; die Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG findet keine Anwendung.
OLG Schleswig, Beschl. v. 28.1.2013 – 15 WF 363/12
1 Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war dem Antragsteller durch Beschl. v. 19.6.2006 für das im Mai 2006 eingeleitete Scheidungsverfahren im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe beigeordnet worden, und zwar für die Ehescheidung und den Versorgungsausgleich. Der zuständige Familienrichter teilte den Beteiligten am 27.3.2007 mit, dass die Sache "auf lange Frist gelegt" werde, weil im Versorgungsausgleichsverfahren keine der Parteien an der Klärung ihres Versicherungskontos mitwirke und unter diesen Umständen das Gericht keine Veranlassung zur Einwirkung auf sie sehe. Die Akte wurde sodann mit Verfügung vom 12.10.2007 ausgetragen und weggelegt, weil auch bis dahin keine weitere Reaktion der Parteien erfolgt war. Zuvor wurde am 17.8.2007 auf entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers hin dessen Vergütung aus der Landeskasse (1,3-Verfahrensgebühr, Pauschale und Abzug einer halben Geschäftsgebühr Beratungshilfe) auf 274,53 EUR festgesetzt und ausgezahlt.
Mit Schriftsatz v. 5.4.2011 hat der Beschwerdeführer für den Antragsteller beantragt, "das Verfahren fortzusetzen" und für den Antragsteller die Fragebögen zum Versorgungsausgleich überreicht. Zwischenzeitlich ist die Ehe der Beteiligten geschieden worden.
Mit seinem Vergütungsfestsetzungsantrag hat der Beschwerdeführer die Festsetzung von insgesamt 586,08 EUR beantragt; er macht – erneut – eine 1,3-Verfahrensgebühr sowie eine 1,2-Terminsgebühr und die Pauschale geltend. Er hat die Auffassung vertreten, dass bisher erfolgte Zahlungen seitens der Landeskasse wegen Zeitablaufs nicht mehr zu berücksichtigen seien. Der frühere Auftrag des Antragstellers sei seit mehr als zwei Jahren erledigt gewesen, so dass die anwaltliche Tätigkeit seit 2011 gem. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG als neue Angelegenheit mit der Folge gelte, dass Anrechnungen von Gebühren entfielen.
Das FamG hat unter Anrechnung der seinerzeit festgesetzten und ausgezahlten Vergütung und unter Abzug von 41,65 EUR für erhaltene Beratungshilfe eine Vergütung von noch 269,90 EUR festgesetzt. Die dagegen eingelegte "sofortige Beschwerde" hat die Richterin nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors als Erinnerung zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer hat dagegen rechtzeitig "sofortige" Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG nicht vor.
Der BGH hat in einem Beschl. v. 30.3.2006 (NJW 2006, 1525 [= AGS 2006, 323]) zum damals geltenden entsprechenden § 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO ausgeführt, dass die Vorschrift bei einer Verfahrensunterbrechung nur anwendbar sei, wenn einem Rechtsanwalt nach Erledigung eines früheren Auftrags ein weiterer Auftrag erteilt worden sei. Nach dem Ende der Aussetzung des Verfahrens sei ein solcher Auftrag aber zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig. Der BGH hat ferner entschieden, dass die Vorschrift nicht an die Fälligkeit der Vergütung des Rechtsanwalts für den bisherigen Auftrag anknüpfe und damit nicht den Fall regele, dass weder ein neuer Auftrag erteilt noch ein früherer Auftrag erledigt, aber die Angelegenheit mehr als zwei Kalenderjahre von dem Rechtsanwalt nicht bearbeitet worden sei.
An dieser rechtlichen Würdigung hat sich durch die weitgehend unveränderte Nachfolgeregelung des § 15 RVG nichts geändert. Demnach kann auch bei einem bloßen Nichtbetreiben des Verfahrens nach Ablauf von zwei Kalenderjahren allein eine weitere Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht schon zu einer neuen Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG führen. Die mangelnde Mitwirkung beider Eheleute im Versorgungsausgleichsverfahren, das Weglegen der Akten wegen Nichtbetreibens des Verfahrens und der Antrag des Beschwerdeführers v. 5.4.2011, das Verfahren fortzusetzen, machen die Sache nicht zu einer neuen Angelegenheit. Das Weglegen der Akten beruht auf entsprechenden Vorschriften in der Aktenordnung und hat ausschließlich gerichtsinterne Bedeutung. Der Rechtsanwalt bleibt in Fällen des Ruhens, der Aussetzung oder der Unterbrechung des Verfahrens beauftragt, die Angelegenheit ist nicht erledigt. Denn er muss regelmäßig prüfen, ob die Voraussetzungen der Unterbrechung, der Aussetzung und des Ruhens noch gegeben sind (AnwK-RVG/Schneider, 6. Aufl. 2012, Rn 287 f.). Das gilt auch für den Fall des Nichtbetreibens des Verfahrens, dessen Gründe dem Gericht verborgen bleiben. Es ist zudem nicht vorgetragen und nicht ersichtlich, dass der Antragsteller seinerzeit das Mandat mit dem Beschwerdeführer formal beendet und ihm 2011 einen neuen Auftrag erteilt hat.
Mit dieser Rechtsauffassung folgt das Beschwerdegericht der im An...