RVG §§ 15, 22
Leitsatz
Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber in demselben gerichtlichen Verfahren, die jeweils eigene Ansprüche geltend machen, liegt nur eine Angelegenheit vor, sodass der Anwalt seine Vergütung nur einmal aus den zusammengerechneten Werten erhält.
AG Wetzlar, Urt. v. 15.11.2012 – 32 C 433/12 (32)
1 Sachverhalt
Die Klägerin macht eine Vergütungsforderung für eine anwaltliche Vertretung des Beklagten in einem Berufungsverfahren vor dem KG geltend. Die Beklagte ist Gesellschafter eines geschlossenen Immobilienfonds, der insgesamt 542 Gesellschafter hat. Für den Beitritt zu dem Immobilienfonds hatte die GEWOBAG in einem Prospekt, der u.a. durch die Commerzbank AG vertrieben wurde, geworben. Wegen behaupteter Fehler in dem Prospekt führte der Beklagte, vertreten durch die Klägerin, gemeinsam mit weiteren 94, nach subjektiver Klageerweiterung, gemeinsam mit insgesamt 163 weiteren Klägern vor dem LG Berlin einen Rechtsstreit gegen die GEWOBAG. In erster Instanz hat das LG die geltend gemachten Rückabwicklungsansprüche der Fondsgesellschafter abgewiesen. Gemeinsam mit 149 weiteren Klägern legte der Beklagte Berufung zum KG ein. Das Verfahren wurde beim KG von nunmehr 150 der ursprünglich klagenden 164 Gesellschafter als Berufungskläger fortgesetzt. Verschiedene Termine zur mündlichen Verhandlung über die Berufung haben bereits stattgefunden, eine Beweisaufnahme ist begonnen, aber noch nicht abgeschlossen worden, eine Entscheidung somit noch nicht ergangen. Der Sachvortrag zu den anspruchsbegründenden Lebenssachverhalten enthielt für alle Betroffenen übereinstimmende Teile, insbesondere hinsichtlich der Projektgestaltung mit der Entwicklung der Fondsgesellschaft. Der Vortrag zu den weiteren Umständen der Werbung, mündlich geführten Gesprächen und der steuerlichen Auswirkung der Beteiligten war – jedenfalls erstinstanzlich – auf den jeweiligen Streitgenossen bezogen. Die in den Anträgen genannten Beträge wurden individuell errechnet.
Für den Beklagten rechnet die Klägerin einen Gegenstandswert von 259.643,03 EUR, der sich wie folgt zusammensetzt: Der Zahlungsantrag über 100.929,02 EUR sowie der Freistellungsantrag im Wert von 158.705,01 EUR. Die Klägerin macht entsprechend dem von ihr angesetzten Gegenstandswert eine Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren in Höhe von 3.283,20 EUR sowie eine Terminsgebühr von 2.426,40 EUR geltend. Auf diese Beträge hat die Klägerin einen Nachlass von 20 % gewährt, sodass sich schließlich ein Vergütungsbetrag von 5.493,61 EUR ergibt. Der Rechtsschutzversicherer des Beklagten hat hierauf 3.149,41 EUR bezahlt, sodass die Differenz die Klageforderung ergibt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass vorliegend nicht "dieselbe Angelegenheit" für alle Mandanten überarbeitet wurde und es somit um verschiedene Angelegenheiten ginge. § 22 Abs. 1 RVG fände demnach keine Anwendung. Der in Ansatz gebrachte Gegenstandswert sei gem. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG gerechtfertigt, da es nur auf die für den Beklagten geltend gemachten Ansprüche ankomme. Diese seien mit den für die anderen Streitgenossen erhobenen Ansprüchen nicht als dieselbe Angelegenheit i.S.d. §§ 7, 22 Abs. 1 RVG anzusehen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die streitgenossenschaftlich erhobenen Ansprüche stellten einen im Wesentlichen einheitlichen Lebenssachverhalt dar, der die Annahme derselben Angelegenheit i.S.d. § 7 RVG rechtfertige.
2 Aus den Gründen
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Rechtsanwaltsvergütung gegen den Beklagten zu (§ 9 RVG).
Unstreitig hat der Beklagte die Klägerin mit seiner Vertretung im Berufungsverfahren vor dem KG mandatiert. Hierdurch entstand zugunsten der Klägerin grundsätzlich eine 1,6fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV sowie eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV, nachdem die Klägerin den Verhandlungstermin vor dem KG wahrgenommen hat. Diese Gebühr kann die Klägerin im Wege der Vorschussforderung geltend machen (§ 9 RVG). Allerdings ist der abgerechnete Vorschuss überhöht. Das Gericht schließt sich bei den folgenden Ausführungen ausdrücklich den Ausführungen des LG Krefeld in der am 8.2.2012 (2 O 211/11) rechtskräftig verkündeten Entscheidung an. Die vom Beklagten zu erstattenden Gebühren richten sich nicht nach dem Wert des mit dem Klageantrag des Klägers in dem Verfahren vor dem KG erfolgten Anspruchs, sondern gem. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 1, 15 Abs. 2, 22 Abs. 1 RVG nach dem Gegenstandswert also dem Gesamtwert der durch die Berufungskläger in dem gemeinsamen Verfahren geltend gemachten Ansprüche. Die für die Berufungskläger erhobenen Ansprüche sind als dieselbe Angelegenheit i.S.d. Vorschrift anzusehen, mit der Folge, dass der Gesamtstreitwert den Gegenstandswert bildet.
Ob von einer oder mehreren Angelegenheiten i.S.d. Vergütungsrechts der Anwälte auszugehen ist, lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten. Voraussetzung für die Annahme derselben Angelegenheit ist, dass ein einheitlicher Auftrag an den Rechtsanwalt vorliegt, dass d...