Rz. 206

Bearbeitet der Anwalt verschiedene Gegenstände in getrennten Angelegenheiten, obwohl er sie auch in einer einzigen Angelegenheit zusammenfassen könnte, verstößt er gegen die Interessen des Mandanten, der dadurch mit zusätzlichen vermeidbaren Kosten belastet wird. Grundsätzlich besteht die Verpflichtung des Anwalts, ein Mandat kostengünstig zu bearbeiten. Hieraus wiederum folgt, dass er – soweit möglich – mehrere Gegenstände in einem einheitlichen Verfahren, also in einer einheitlichen Gebührenangelegenheit verfolgen muss.[168]

 

Beispiel:[169] Der Anwalt erhebt in einer Mietsache gesonderte Klagen auf Räumung und Zahlung.

Die Gebühren entstehen jetzt zweimal, einmal aus dem Wert der Räumung und einmal aus dem Wert der Mietrückstände. Hätte der Anwalt Räumung und Zahlung im Wege der Klagenhäufung (§ 260 ZPO) geltend gemacht, wären die Gebühren nur einmal angefallen. Zwar wäre der Gegenstandswert gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG höher gewesen. Infolge der Gebührendegression hätte sich insgesamt aber ein geringeres Gebührenaufkommen ergeben.

 

Rz. 207

Will der Anwalt davon abweichen, muss er den Mandanten über die Kostennachteile aufklären und sich von ihm die Einwilligung einholen, die Sachen (kostenintensiver) getrennt zu behandeln.

 

Rz. 208

Der Anwalt, der hiergegen verstößt, kann seine Gebühren im Ergebnis nur einmal aus den zusammengerechneten Werten erhalten. Dies ergibt sich entweder bereits daraus, dass mangels gegenteiligen ausdrücklichen Auftrags nur ein Mandat zu einer einheitlichen Angelegenheit vorgelegen hat; dann entsteht von vornherein nur ein Gebührenanspruch aus den zusammengerechneten Werten.[170] Hat sich der Anwalt dagegen ausdrücklich einen Auftrag für mehrere Angelegenheiten erteilen lassen, ohne den Mandanten jedoch über die Kostennachteile zu belehren, dann stehen dem Anwalt zwar einerseits mehrere Gebühren zu. Er ist aufgrund des gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruches des Mandanten aber gehindert, diese geltend zu machen, soweit diese Gebühren den Betrag übersteigen, den der Anwalt bei einheitlichem Tätigwerden erhalten hätte.[171] Das Ergebnis bleibt also dasselbe.

 

Beispiel: Wie oben. Gegenstandswert Räumung (12.000 EUR), Zahlung (6.000 EUR).

Bei getrennter Abrechnung erhält der Anwalt:

I. Räumung (Wert: 12.000 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   865,80 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   799,20 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.685,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   320,15 EUR
Gesamt   2.005,15 EUR

II. Zahlungsklage (Wert: 6.000 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   507,00 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   468,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 995,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   189,05 EUR
Gesamt   1.184,05 EUR
Gesamt I + II   3.189,20 EUR

Klagenhäufung (Wert: 18.000 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   1.001,00 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   924,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.945,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   369,55 EUR
Gesamt   2.314,55 EUR

Es wäre also erheblich günstiger gewesen, im Wege der Klagenhäufung vorzugehen. Daher kann der Anwalt vom Mandanten nur 2.314,55 EUR verlangen.

 

Rz. 209

Sicherlich gibt es Ausnahmen von dem Grundsatz des einheitlichen Vorgehens. So kann es trotz höherer Kosten durchaus sinnvoll sein, getrennt vorzugehen. Dies kann prozesstaktische Gründe haben oder auch im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung von Bedeutung sein, etwa dass man zwei Titel erhalten will, mit denen besser und schneller agiert werden kann o.Ä. Letztlich muss die Entscheidung, ob zusammenhängende Gegenstände in getrennten Angelegenheiten verfolgt werden sollen, jedoch dem Mandanten nach gehöriger Belehrung überlassen bleiben.

 

Rz. 210

Ein Verstoß gegen die Belehrungspflichten kann nicht nur dazu führen, dass der Anwalt lediglich eine einheitliche Angelegenheit aus den zusammengerechneten Werten abrechnen kann, sondern kann auch zur Folge haben, dass der Anwalt den Mandanten von einer hierdurch bedingten höheren Kostenerstattung des Gegners freistellen muss.

 

Rz. 211

Der Grundsatz, einheitlich vorzugehen, gilt auch in Vollstreckungssachen. Auch hier kann es u.U. missbräuchlich sein, mehrere Titel gegen denselben Schuldner einzeln zu vollstrecken, anstatt diese in einer einheitlichen Vollstreckungsmaßnahme zusammenzufassen. Ein solches Vorgehen ist u.U. nicht notwendig i.S.d. § 788 ZPO und führt damit nur zu einer eingeschränkten Kostenerstattung.

 

Rz. 212

In arbeitsgerichtlichen Verfahren wird zum Teil sogar eine Obliegenheit angenommen, Verfahren mehrerer Auftraggeber zu einer Angelegenheit zusammenzufassen. Zwar sei ein Rechtsanwalt in der Regel nicht verpflichtet, zur Kostenersparnis mehrere Kündigungsklagen im Wege der subjektiven Klagehäufung (Sammelklage) zu verfolgen; die Erhebung einer Sammelklage sei hingegen geboten, wenn es sich um identische Kündigungssachverhalte handelt, Besonderheiten bei der Bearbeitung ei...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge