ZPO §§ 114, 121 FamFG § 78 Abs. 2 BGB § 1592
Leitsatz
- Der Grundsatz, dass einem mittellosen Verfahrensbeteiligten im familienrechtlichen Verfahren im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe stets ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, trifft nicht zu. Entscheidend ist, ob ein bemittelter Rechtsuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Eine Beiordnung aus objektiven Gründen ist aber regelmäßig im Abstammungsverfahren geboten, wenn der Vater die Vaterschaft anficht. Insoweit muss auch das antragstellende Kind im Vaterschaftsfeststellungsverfahren in den Fällen, in denen grundsätzlich eine Anwaltsbeiordnung in Betracht kommt, sich nicht auf die Möglichkeit einer Beistandschaft durch das Jugendamt verweisen lassen, sodass ihm auf Antrag sein Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet werden muss.
- Diese Grundsätze gelten regelmäßig auch für die beteiligte Mutter selbst, wenn die die geschlechtliche Beiwohnung während der Empfängniszeit betreffenden Umstände bislang nicht abschließend aufgeklärt sind und als Kindesvater eine weitere Person in Betracht kommt, wodurch der Vaterschaftsnachweis zusätzlich erschwert wird.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.10.2013 – 3 WF 116/13
1 Sachverhalt
Das Kind, vertreten durch das Jugendamt des Landkreises als seines Beistandes, betreibt die Feststellung der Vaterschaft des weiteren Beteiligten zu 2). Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG der weiteren Beteiligten zu 1), der Mutter des Kindes, zur Verfolgung ihrer Rechte Verfahrenskostenhilfe gewährt, jedoch die beantragte Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten abgelehnt. Hiergegen wendet sich die weitere Beteiligte zu 1. mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde, dem das FamG nicht abgeholfen hat.
Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts liegen vor.
Gem. § 78 Abs. 2 FamFG wird dem Beteiligten, wenn – wie gem. § 114 Abs. 1 FamFG hier – eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Die dabei gebotene einzelfallbezogene Prüfung lässt eine Herausbildung von Regeln, nach denen dem mittellosen Beteiligten für bestimmte Verfahren immer oder grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, regelmäßig nicht zu. Ein Regel-Ausnahme-Verhältnis ist nach der gebotenen individuellen Bemessung deswegen nicht mit dem Gesetz vereinbar (BGH FamRZ 2010, 1427 [= AGS 2010, 446]). Entscheidend ist, ob ein bemittelter Rechtsuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BGH a.a.O.). Jeder der im Gesetz genannten Umstände, sowohl die Schwierigkeit der Sachlage als auch die Schwierigkeit der Rechtslage, kann für sich allein die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe erforderlich machen (BGH a.a.O.). Die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts beurteilt sich darüber hinaus auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten (BGH a.a.O.; OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, Beschl. v. 24.2.2011 – 10 WF 297/10).
Allein aufgrund etwa eingeschränkter subjektiver Fähigkeiten ist der weiteren Beteiligten zu 1) ein Rechtsanwalt nicht beizuordnen. Denn sie hat nicht etwa geltend gemacht, dem gerichtlichen Verfahren aus Gründen fehlender intellektueller Leistungsfähigkeit nicht folgen zu können.
Die Beiordnung ist aber aus objektiven Gründen, also solchen, die das Verfahren als solches betreffen, geboten.
Insoweit hat der BGH zwar – wie bereits ausgeführt – die Auffassung vertreten, dass eine Herausbildung von Regeln, nach denen dem mittellosen Beteiligten für bestimmte Verfahren immer oder grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, regelmäßig nicht gestattet ist. Hiervon hat der BGH aber selbst Ausnahmen zugelassen. So hat er gerade für Abstammungsverfahren nach dem bis zum 30.8.2009 geltenden Recht im Hinblick auf § 121 Abs. 2 ZPO entschieden, dass dem Beklagten (d.h dem zumindest rechtlichen Vater), dem Prozesskostenhilfe bewilligt wird, wegen der Bedeutung der Statusfeststellung auf seinen Antrag regelmäßig sogleich ein Rechtsanwalt beizuordnen ist (BGH FamRZ 2007, 1968). Im Anwendungsbereich des § 78 FamFG hat der BGH entschieden, dass in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren dem antragstellenden Beteiligten (rechtlichem Vater) im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe ein Rechtsanwalt beizuordnen ist (BGH FamRZ 2012, 1290 [= AGS 2012, 475]).
So liegt der Fall hier aber nicht, denn die Kindesmutter begehrt die Beiordnung ihres Verfahrensbeistandes im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe.
Allerdings vertritt das OLG Karlsruhe die weitergehende Rechtsauffassung, dass sich das antragstellende Kind im Vaterschaftsfeststellungsverfahren in den Fällen, in denen grundsätzlich...