ZPO §§ 697 Abs. 1, 3 RVG VV Nr. 3100
Leitsatz
Reicht der Kläger nach vorangegangenem Mahnverfahren trotz Aufforderung gem. § 697 Abs. 1 ZPO mehrere Monate keine Anspruchsbegründung ein und stellt der Beklagte einen Klagabweisungsantrag sowie einen Antrag auf Terminsanberaumung nach § 697 Abs. 3 ZPO, woraufhin die Klagrücknahme erfolgt, kann der Beklagte die Erstattung einer 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV verlangen.
OLG Hamburg, Beschl. v. 25.11.2013 – 8 W 112/13
1 Sachverhalt
Die Klägerin beantragte am 12.10.2012 beim AG den Erlass einen Mahnbescheids gegen den Beklagten und für den Fall des Widerspruchs die Abgabe an LG. Der Widerspruch des Beklagten ging am 19.10.2012 beim AG ein. Nach Abgabe an das LG wurde die Klägerin aufgefordert, eine Anspruchsbegründung einzureichen. Diese Aufforderung wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15.11.2012 zugestellt. Eine Anspruchsbegründung ging in der Folgezeit nicht ein. Mit Schriftsatz am 20.3.2013 stellte der Beklagte einen Antrag auf Klagabweisung und beantragte zugleich, der Klägerin eine Frist zur Begründung der Klage zu setzen oder sie aufzufordern, die Klage zurückzunehmen. Mit Schriftsatz vom 25.3.2013 beantragte er, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. Auf gerichtlichen Hinweis beantragte der Beklagte schließlich mit Schriftsatz vom 23.4.2013 die Anberaumung eines Verhandlungstermins gem. § 697 Abs. 3 ZPO. Nach Anberaumung des Termins nahm die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.5.2013 die Klage zurück. Das LG erlegte ihr die Kosten des Rechtsstreits auf.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin antragsgemäß die Erstattung einer 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV nebst Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV und 19 % Umsatzsteuer festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie meint, dass der Beklagte überhaupt keine 1,3-Verfahrensgebühr erstattet verlangen könne. Allenfalls käme eine 0,8-Gebühr gem. Nr. 3101 VV in Betracht.
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg
2 Aus den Gründen
Die Festsetzung einer 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV erfolgte zu Recht.
Im Verhältnis zum Beklagten ist eine 1,3-Verfahrensgebühr zugunsten seines Prozessbevollmächtigten entstanden, denn er hat nach Abgabe des Rechtsstreits an das LG im streitigen Verfahren einen Sachantrag – den Antrag auf Klagabweisung – gestellt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 21.Aufl., VV 3101, Rn 30). Darüber hinaus war auch der Antrag nach § 697 Abs. 3 ZPO eine Prozesshandlung, die eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV begründet hat (OLG Naumburg, Beschl. v. 29.12.2011 – 2 W 51/11 [= AGS 2012, 122]).
Allerdings ist eine durch den Klagabweisungsantrag entstandene 1,3-Verfahrensgebühr vor der Klagbegründung grundsätzlich nicht erstattungsfähig, weil diese kostenauslösende Maßnahme zu diesem Zeitpunkt nicht zu den notwendigen Kosten des Rechtsstreits i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO gehört (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a.a.O., VV 3305-3308, Rn 139 ). Dies gilt aber dann nicht, wenn der Kläger die Klagebegründung in nicht zumutbarer Weise verzögert (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a.a.O.). So liegt es hier: Die Klägerin hat die Zwei-Wochen-Frist zur Anspruchsbegründung gem. § 697 Abs. 1 ZPO um mehrere Monate überschritten.
Spätestens aber die durch den Antrag nach § 697 Abs. 3 ZPO (erneut) begründete 1,3-Verfahrensgebühr ist erstattungsfähig, nachdem die Klägerin auch auf die Schriftsätze des Beklagten vom 20. und 25.3.2013 nicht reagiert hatte (vgl. auch OLG Naumburg a.a.O.: Erstattungsfähigkeit gegeben, wenn der Beklagte wegen Untätigkeit der Klägerin im Mahnverfahren selbst die Abgabe zur Durchführung des Streitverfahrens beantragt und einen Antrag nach § 697 Abs. 3 ZPO stellt; OLG Düsseldorf JurBüro 2004, 195: Erstattungsfähigkeit gegeben, nachdem die Klägerin über ein Jahr im Mahnverfahren untätig geblieben war und die Beklagten die Abgabe an das Streitgericht beantragt hatten).
3 Anmerkung
Die Entscheidung entspricht leider der überwiegenden Rechtsprechung, die einem Antragsgegner erstattungsfähige Kosten erst dann zuspricht, wenn er den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens nach einer gewissen Wartefrist stellt. Nachvollziehbar ist dies nicht. Wenn ein Antragsgegner mit einer Forderung überzogen wird, dann darf es ihm aus Kostenerstattungsgesichtspunkten nicht verwehrt sein, seine prozessualen Rechte zu wahren.
Das prozessuale Recht eines Antragsgegners ist es aber, selbst nunmehr den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zu stellen (§ 696 Abs. 1 S. 1 ZPO) und auch die Anberaumung eines Termins zu beantragen (§ 697 Abs. 3 ZPO). Es ist einem Antragsgegner nicht zuzumuten abzuwarten, bis der Antragsteller sich bequemt, irgendwann einmal seine Ansprüche zu begründen. Insoweit ist auch das Zeitmoment zu berücksichtigen. Dem Antragsteller werden Fristen gesetzt. Wenn er diese Fristen nicht wahrt, droht ihm schon allein aus diesen Gründen der Prozessverlust. Diese prozessualen Rechte des Beklagten dürfen nicht aus kostenerstattungsrechtlichen Gesichtspunkten beschnitten werden.
Der ...