GKG § 53 Abs. 2 Nr. 2, 39
Leitsatz
- Im finanzgerichtlichen AdV-Verfahren beträgt der Streitwert 10 v.H. des Betrages, dessen Aussetzung begehrt wird.
- § 39 Abs. 2 GKG ordnet eine typisierende Begrenzung des Streitwerts auf 30 Mio. EUR an, die unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden ist.
- Ein solcher Streitwert ist auch in Verfahren anzusetzen, bei denen es um die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids geht, mit dem Ansprüche in Höhe von mindestens 300 Mio. EUR geltend gemacht werden.
- Dabei ist es verfahrens- und kostenrechtlich hinzunehmen, dass sich ab einem solchen Streitwert der auf 30 Mio. EUR begrenzte Streitwert des Hauptsacheverfahrens und der Streitwert des AdV-Verfahrens entsprechen.
BFH, Beschl. v. 6.9.2012 – VII E 12/12
1 Sachverhalt
Der dem Kostenansatz zugrunde liegende Rechtsstreit betraf einen Antrag der Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Kostenschuldnerin), mit dem diese die Aufhebung der Vollziehung (AdV) einer für den Monat Juni 2011 abgegebenen Steueranmeldung über Kernbrennstoffsteuer in Höhe von über 30 Mio. EUR begehrte. Das FG gab diesem Antrag statt und hob die Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung ohne Sicherheitsleistung auf. Der BFH hat die Entscheidung des FG aufgehoben und den Antrag auf AdV abgelehnt. Die Kosten des gesamten Verfahrens wurden der Kostenschuldnerin auferlegt. Mit Kostenrechnung hat die Kostenstelle des BFH die für das Verfahren zu entrichtenden Gerichtskosten angesetzt, wobei sie – ausgehend von der vollen Höhe des Aussetzungsbetrags – einen Streitwert in Höhe von 10 v.H. dieses Betrags und somit … EUR (= unter 30 Mio. EUR) zugrunde gelegt hat.
Dagegen wendet sich die Kostenschuldnerin mit ihrer Erinnerung. Sie ist der Ansicht, der Berechnung des Streitwerts sei der in § 39 Abs. 2 GKG festgelegte Höchststreitwert von 30 Mio. EUR zugrunde zu legen. Erst auf Grundlage dieses beschränkten Hauptsachestreitwerts sei der Streitwert für das AdV-Verfahren zu bemessen. Der von der Kostenstelle des BFH gewählte Ansatz würde dazu führen, dass sich ab einem Streitwert von 300 Mio. EUR die Streitwerte des Hauptsacheverfahrens und des AdV-Verfahrens entsprechen würden. Dieses Ergebnis widerspreche dem Sinn des reduzierten Streitwerts in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.
Die Erinnerung hat keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Gem. § 53 Abs. 2 Nr. 3 GKG ist der Streitwert eines Verfahrens nach § 69 Abs. 3, 5 der FGO nach § 52 Abs. 1 und 2 GKG zu bestimmen. Soweit nichts anderes bestimmt ist, ist der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Nach ständiger Rspr. des BFH ist im finanzgerichtlichen AdV-Verfahren der Streitwert mit 10 v.H. des Betrags zu bemessen, dessen Aussetzung begehrt wird (vgl. Beschl. v. 14.12.2007 – IX E 17/07, BFHE 220, 22, BStBl II 2008, 199; v. 26.4.2001 – V S 24/00, BFHE 194, 358, BStBl II 2001, 498, u. v. 4.5.2011 – VII S 60/10, BFH/NV 2011, 1721).
2. Im vorliegenden Fall hat die Kostenschuldnerin die Aufhebung der Vollziehung einer Steueranmeldung in Höhe von über 30 Mio. EUR begehrt. Die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens, in dem die Kostenschuldnerin eine endgültige Freistellung von der Zahlungspflicht begehrt, ergibt sich demnach aus diesem Steuerbetrag.
Allerdings ist zu beachten, dass der Streitwert nach § 39 Abs. 2 GKG höchstens 30 Mio. EUR beträgt. Dabei handelt es sich um einen absoluten Höchstwert, der allgemein gilt (Hartmann, KostG, 42. Aufl., § 39 GKG Rn 5). Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die allgemeine Wertgrenze verhindern, dass bei hohen Streitwerten unverhältnismäßig hohe Gebühren entstehen. Mit der Neuregelung wird das mit der Prozessführung verbundene Kostenrisiko für die Parteien in Verfahren mit hohen Streitwerten auf ein angemessenes Maß zurückgeführt (BT-Drucks 15/1971, S. 154). Die typisierende Begrenzung des Streitwerts auf 30 Mio. EUR ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden (Beschl. d. BVerfG v. 13.2.2007 1 – BvR 910/05, 1 BvR 1389/05, BVerfGE 118, 1).
In finanzgerichtlichen AdV-Verfahren ist der Höchstwert in der Weise zu berücksichtigen, dass der zunächst aufgrund der Bedeutung der Rechtssache ermittelte und sodann auf 10 v.H. reduzierte Steuerbetrag diesen Höchstwert nicht überschreiten darf. Dadurch wird dem Anliegen des Gesetzgebers auch in AdV-Verfahren Rechnung getragen. Der Wortlaut des § 52 Abs. 1 GKG ist eindeutig und lässt eine von ihm abweichende Bestimmung des Höchststreitwerts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass für das Hauptsacheverfahren und das AdV-Verfahren unterschiedlich hohe Gebührensätze vorgesehen sind. Für ein AdV-Verfahren können maximal zwei Gebühren anfallen.
Dass sich bei Verfahren über Steuerforderungen in Höhe von mindestens 300 Mio. EUR identische Streitwerte für das Hauptsacheverfahren und das Verfahren, mit dem vorläufiger Rechtsschut...