Leitsatz
- Eine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV kommt nicht in Betracht, wenn im Verhältnis zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten keine Geschäftsgebühr i.S.v. Nrn. 2300-2303 VV entstanden ist, sondern die Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine zulässige Vergütungsvereinbarung getroffen hat. Das vereinbarte Honorar ist keine Geschäftsgebühr i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 4 VV.
- Allein dass der Kläger im Rechtsstreit die Erstattung einer 1,3-Geschäftsgebühr geltend gemacht hat, zwingt nicht zu dem Schluss, dass er mit seinem Anwalt keine Vergütungsvereinbarung geschlossen hat.
BGH, Beschl. v. 16.10.2014 – III ZB 13/14
1 Sachverhalt
Die Klägerin hatte auf Zahlung ihrer Vergütung aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich geklagt und Feststellung begehrt, dass die Kündigungen der Beklagten unwirksam seien und sie auch nicht die von der Beklagten geltend gemachte Vertragsstrafe verwirkt habe.
Bezüglich ihrer außergerichtlichen Kosten hatte die Klägerin in der Klagschrift folgenden Antrag angekündigt:
"5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die nicht anrechenbare Geschäftsgebühr in Höhe von 1.960,40 EUR nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer zu erstatten, mithin 2.356,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2.3.2013. Deren teilweise Anrechnung auf die Kosten dieses Rechtsstreits ist dem Kostenfestsetzungsverfahren vorbehalten. Hilfsweise wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von dieser Forderung der (auch) vorgerichtlichen Vertreter der Klägerin, ..., gegen die Klägerin freizustellen."
In der Klage wurde der Anspruch auf die Geschäftsgebühr als Verzugsschaden gem. §§ 280, 286 BGB begründet, wobei unter anderem auf das vorprozessuale Schreiben der klägerischen Bevollmächtigten Bezug genommen wurde, in dem ebenfalls für die außergerichtliche Tätigkeit eine 1,3-Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer in Höhe von 2.356,68 EUR in Ansatz gebracht worden war.
Mit späterem Schreiben unterbreitete die Klägerin der Beklagten einen Vergleichsvorschlag, der bezüglich der Kosten folgende Regelung enthielt:
"Für die Abgeltung der vorprozessualen Anwaltskosten unserer Mandantin zahlt Ihre Mandantin einen pauschalen Betrag von EUR 3.000,00 (inkl. MwSt.)."
Von den Prozesskosten trägt die Klägerin ein Viertel und die Beklagte drei Viertel.“
In der Folgezeit einigten sich die Parteien; der anschließend gem. § 278 Abs. 6 S. 1, 1. Alt. ZPO festgestellte gerichtliche Vergleich lautete bezüglich der Kosten:
"5. Zur Abgeltung der vorprozessualen Anwaltskosten der Klägerin zahlt die Beklagte an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.521,01 EUR zuzüglich 478,99 EUR Umsatzsteuer = insgesamt 3.000,00 EUR."
Die Kosten des Rechtsstreits und dieses Vergleichs tragen die Klägerin zu einem Viertel und die Beklagte zu drei Vierteln.“
Das LG setzte bei der von der Klägerin zur Kostenfestsetzung angemeldeten 1,3-Verfahrensgebühr von 2.060,50 EUR eine 0,65-Geschäftsgebühr von 1.030,25 EUR ab. Die gegen den Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie – soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung – geltend machte, zwischen ihr und ihrem Prozessbevollmächtigten sei eine zeitbezogene Honorarvereinbarung getroffen worden, wies das OLG zurück. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin.
2 Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
1. Das OLG hat zugunsten der Klägerin unterstellt, dass zwischen ihr und ihrem Prozessbevollmächtigten eine die außergerichtliche Vertretung in der hier streitgegenständlichen Angelegenheit erfassende wirksame Honorarvereinbarung getroffen worden ist. Dessen ungeachtet – so das Beschwerdegericht – könne sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass keine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV angefallen sei und deshalb auch keine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV stattzufinden habe. Denn nach dem Grundsatz von Treu und Glauben müsse sich die Klägerin an ihrem eigenen Sachvortrag festhalten lassen, der nach den erkennbaren Umständen auch für die Entscheidung der Beklagten, sich auf den vorgeschlagenen Vergleich und insbesondere dessen Nr. 5 einzulassen, zur Grundlage geworden sei. Vorprozessual und in der Klage sei nicht von einer vereinbarten Rechtsanwaltsvergütung, sondern von einer Geschäftsgebühr die Rede gewesen. Auf dieser Grundlage sei es dann zu dem Vergleich gekommen. Auch wenn der im Vergleich für die vorprozessualen Anwaltskosten in Ansatz gebrachte Betrag von 3.000,00 EUR merklich höher sei als die bis dahin geltend gemachte Geschäftsgebühr, sei nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte bei Abschluss des Vergleichs das Bewusstsein und die Vorstellung gehabt habe, sich nicht zur Zahlung einer Geschäftsgebühr i.S.d. RVG, sondern einer Rechtsanwaltsvergütung aufgrund einer Vergütungsvereinbarung zu verpflichten, die dann nicht mehr anrechenbar...