Leitsatz
- Bei der Festsetzung des Verfahrenswerts in einer Ehesache ist zu berücksichtigen, dass eine zu geringe Wertfestsetzung den Rechtsanwalt in seinen Rechten aus Art. 12 GG beeinträchtigen kann, da die Festsetzung auch für seine Vergütung maßgeblich ist. Daher ist auch das Vermögen der Ehegatten bei der Wertfestsetzung mit zu berücksichtigen.
- Von dem Vermögen der Ehegatten sind 30.000,00 EUR für jeden der Ehegatten abzuziehen und für jedes Kind ein weiterer Freibetrag i.H.v. 10.000,00 EUR.
- Von dem danach verbleibenden Vermögen sind 10 % für die Wertfestsetzung heranziehen.
- Für die Folgesache Versorgungsausgleich ist i.d.R. der Mindestwert von 1.000,00 EUR anzusetzen, wenn die Eheleute in einer notariell beurkundeten Vereinbarung auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet haben.
KG, Beschl. v. 5.5.2014 – 18 WF 60/14
1 Sachverhalt
Das AG hat bei Abschluss des Scheidungsverfahrens in dem angefochtenen Beschluss den Verfahrenswert für die Ehescheidung auf 8.598,00 EUR und denjenigen für den Versorgungsausgleich nach dem Mindestwert auf 1.000,00 EUR festgesetzt, insgesamt also auf 9.598,00 EUR. Die Beteiligten haben in dem Verfahren zuvor den Versorgungsausgleich ausgeschlossen; im Übrigen ist das AG von einem vom Antragsteller erzielten monatlichen Nettoeinkommen von 2.110,00 EUR und von dem der Antragsgegnerin in Höhe von monatlich 1.056,00 EUR ausgegangen. Für das gemeinsame Kind hat es einen pauschalen Abzug von 300,00 EUR vorgenommen. Auf dieser Grundlage hat es den Verfahrenswert nach dem in drei Monaten erzielten Nettoeinkommen ermittelt.
Hiergegen wenden sich die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Festsetzung des Verfahrenswertes auf insgesamt 13.498,00 EUR begehren. Sie machen geltend, dass das Vermögen der Eheleute, das bei Antragseingang 130.000,00 EUR betragen habe, angemessen mit 3.000,00 EUR zu berücksichtigen sei.
2 Aus den Gründen
Die gem. § 32 Abs. 2 RVG i.V.m. § 68 Abs. 1 GKG zulässige Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller ist begründet. Das AG hat den Streitwert zu niedrig festgesetzt. Das BVerfG hat in Verfahren um die Festsetzung des Werts für eine Ehescheidung bereits mehrfach entschieden, dass durch eine zu geringe Wertfestsetzung auch ein Rechtsanwalt in seinen Rechten aus Art. 12 GG betroffen sein kann, da die Festsetzung auch für seine Vergütung maßgeblich ist (BVerfG v. 17.10.1990 – 1 BvR 283/85; BVerfG FamRZ 2006, 24; NJW 2009, 1197).
Der Wert des Ehescheidungs- und der damit verbundenen Verfahren richtet sich nach den §§ 43 ff. FamGKG. Hier sind das Ehescheidungs- und das Verfahren über den Versorgungsausgleich zu bewerten.
Den Versorgungsausgleich hat das AG nach dem Mindestwert mit 1.000.00 EUR bewertet, da Näheres nicht zu bewerten gewesen ist, nachdem die Beteiligten den Versorgungsausgleich ausgeschlossen haben (§ 50 Abs. 1 FamGKG).
Der Wert des Scheidungsverfahrens richtet sich nach § 43 FamGKG. Danach ist der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen: Für die Einkommensverhältnisse ist das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen.
Das monatliche Nettoeinkommen der Beteiligten hat das AG nach ihren Angaben unter Berücksichtigung eines Abschlags für das gemeinsame Kind von 300,00 EUR mit 3.166,00 EUR festgesetzt. Das ist zunächst nicht zu beanstanden, wobei an dieser Stelle noch dahinstehen mag, ob das Kindergeld als Einkommen zu bewerten ist.
Die Bewertung im Übrigen steht hingegen nicht im Einklang mit der Rspr. des Senats. Das AG hat das bei Antragseingang vorhandene Vermögen der Beteiligten zu gering bewertet.
Auszugehen ist von dem unstreitigen Vermögen von ca. 130.000,00 EUR aus dem Verkauf der gemeinsamen Immobilie. Hiervon ist entsprechend der einmütigen Handhabung fast aller Oberlandesgerichte für jeden der Eheleute ein Freibetrag in Abzug zu bringen, dessen Grund in Anlehnung an das frühere Vermögenssteuerrecht darin liegt, dass unter den Freibeträgen liegendes Vermögen nur eine selbst steuerrechtlich vom Gesetzgeber vormals respektierte durchschnittliche Vorsorge für die Wechselfälle des Lebens darstellt, die deshalb im Rahmen von § 48 Abs. 2 GKG nicht streitwerterhöhend wirken darf (vgl. hierzu OLG Dresden FamRZ 2006, 1053 m.w.Nachw.). Der Senat bemisst diesen Freibetrag nach Abwägung aller Umstände im Einklang mit dem OLG Dresden (a.a.O.) auf mindestens 30.000,00 EUR für jeden der Ehegatten und mit 10.000,00 EUR je Kind, also insgesamt 70.000,00 EUR. Der von anderen Oberlandesgerichten teilweise in Ansatz gebrachte Betrag von mindestens 60.000,00 EUR für jeden Ehegatten (vgl. OLG Koblenz FamRZ 2003, 1681 [= AGS 2003, 409]) erscheint demgegenüber nach Auffassung des Senats als zu hoch gegriffen, weil ein Vermögen von insgesamt 120.000,00 EUR nicht mehr für die Wechselfälle des Lebens vorgehalten werden muss, sondern der Vermögensbildung d...