Leitsatz
- Für die Beiordnung nach § 121 Abs. 2 ZPO ist ein Antrag erforderlich. Der Antrag ist grundsätzlich ausdrücklich zu stellen. Jedoch ist ein stillschweigender (konkludenter) Antrag möglich.
- Hat eine Partei selbst Prozesskostenhilfe beantragt und bewilligt erhalten und zeigt ihr Prozessbevollmächtigter rund zwei Wochen später erstmals die Vertretung der Partei an, kann diese Anzeige nur dahingehend ausgelegt werden, dass damit zugleich stillschweigend die Beiordnung seitens des Bevollmächtigten beantragt wird.
LAG Hamm, Beschl. v. 15.12.2014 – 14 Ta 510/14
1 Sachverhalt
Der Kläger hatte mit seiner am 13.3.2014 beim ArbG eingegangenen Klage unter anderem eine tarifgerechte Vergütung und die Berichtigung eines Zeugnisses geltend gemacht. Er wurde zu diesem Zeitpunkt nicht von seinem späteren Prozessbevollmächtigten vertreten. Unter dem 23.4.2014 ging beim ArbG eine vom Kläger ausgefüllte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst einem Beleg über den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ein. Das ArbG bewilligte daraufhin Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung.
Mit dem am 4.6.2014 eingegangenen Schriftsatz vom 3.6.2014 zeigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter gleichzeitiger Überreichung einer auf ihn lautenden Vollmacht an, dass er die Vertretung des Klägers übernommen habe. Mit einem weiteren am 18.6.2014 beim ArbG eingegangenen Schriftsatz vom 12.6.2014 bezifferte der Prozessbevollmächtigte den Zahlungsantrag des Klägers und stellte den Zeugnisberichtigungsantrag in Form eines vollständig ausformulierten Zeugnisses.
Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung seiner Vergütung. Auf den Hinweis des ArbG, dass eine Beiordnung nicht erfolgt sei, beantragte der Kläger, seinen Prozessbevollmächtigten rückwirkend beizuordnen. Dies lehnte das ArbG durch die hier angefochtene Entscheidung ab.
Die dagegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Dem Kläger war ein Rechtsanwalt gem. § 121 Abs. 2 ZPO beizuordnen.
1. In Verfahren, in denen eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).
a) Für die Beiordnung ist demnach ein Antrag erforderlich. Der Antrag ist grundsätzlich ausdrücklich zu stellen. Jedoch ist ein stillschweigender (konkludenter) Antrag nicht unzulässig (vgl. LAG Schleswig-Holstein, 24.1.2011 – 4 Ta 2/11, juris, Rn 8; LAG Niedersachsen, 24.9.1998 – 2 Ta 314/98, MDR 1999, 190, II. der Gründe; OVG Saarland, 9.9.2011 – 2 D 384/11, juris, Rn 4 f.; OVG Berlin-Brandenburg, 30.3.2010 – 11 M 16/10, NJW 2010, 3795; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Aufl., 2014, Rn 528; Musielak/Fischer, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 121 ZPO Rn 5, Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., 2014, § 121 Rn 14; a.A. unzutreffend: LAG Schleswig-Holstein, 15.8.2003 – 2 Ta 173/03, juris, Rn 5). Die Anträge einer Partei sind sachgerecht auszulegen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg a.a.O.). So wie der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe selbst (vgl. dazu LAG Hamm, 10.2.2014 – 14 Ta 310/13, juris; 10.2.2014 – 14 Ta 529/13, juris, jeweils m.w.Nachw.) kann das Verhalten von Partei und Anwalt im Hinblick auf die Beantragung einer Anwaltsbeiordnung ausgelegt werden (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a.a.O.). Bestehen Zweifel, hat das Gericht von seinem ihm obliegenden Fragerecht gem. § 139 ZPO Gebrauch zu machen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg a.a.O.).
b) Danach ist anerkannt, dass der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, den eine bedürftige Partei durch einen Prozessbevollmächtigten stellt, regelmäßig so zu verstehen ist, dass der Prozessbevollmächtigte im Rahmen der zu bewilligenden Prozesskostenhilfe beigeordnet werden will. Vor dem Hintergrund der Antragstellung durch einen Prozessbevollmächtigten liegt eine solche stillschweigende Beantragung der Beiordnung selbst dann vor, wenn kein Anwaltszwang besteht (vgl. LAG Schleswig-Holstein, 24.1.2011 – 4 Ta 2/11, juris, Rn 8; LAG Niedersachsen, 24.9.1998 – 2 Ta 314/98, MDR 1999, 190; OVG Berlin-Brandenburg, 30.3.2010 – 11 M 16/10, NJW 2010, 3795; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a.a.O., Rn 528; Musielak/Fischer, a.a.O., § 121 Rn 5, Zöller/Geimer, a.a.O., § 121 Rn 14). Auch bei einer vorherigen Beiordnung im Hauptverfahren ist bei einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung anzunehmen, dass damit zugleich die Beiordnung des Anwalts beantragt wird (vgl. OLG Bamberg, 25.6.1986 – 2 WF 174/86, JurBüro 1987, 139; OVG Saarland, 9.9.2011 – 2 D 384/11, juris Rn 8; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a.a.O.).
Ebenso liegt ein stillschweigender Beiordnungsantrag vor, wenn ein Anwalt nach Prozesskostenhilfebewilligung für die Partei tätig wird (Musielak/Fischer, a....