Leitsatz
- Der übliche (gegebenenfalls konkludente) Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich zielt nicht auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i.S.v. § 114 ZPO, sondern auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entsprechend § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO.
- Hiernach lässt ein formelhaft ausgefallener Erweiterungsbeschuss regelmäßig nur die Deutung zu, dass die Entscheidung nur auf einen allein die Einigungsgebühr betreffenden Bewilligungsumfang angelegt ist.
- Liegt eine eingeschränkte Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur für den Mehrvergleich vor, ist dem beigeordneten Rechtsanwalt jedoch für die Mehreinigung die 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV und nicht nur die 1,0-Einigungsgebühr nach 1003 VV zu erstatten. Eine fehlende Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Mehrvergleichs ist keine Tatbestandsvoraussetzung für die 1,5-Einigungsgebühr. Die Entstehung der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV hat nicht zur Voraussetzung, dass durch die Einigung eine konkrete Entlastung der Gerichte eintritt.
LAG Hamm, Beschl. v. 16.9.2015 – 6 Ta 419/15
1 Sachverhalt
Dem Kläger ist mit Beschluss des ArbG Prozesskostenhilfe bewilligt und der Antragsteller beigeordnet worden. Mit dem gleichen Beschluss hat das ArbG die Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich bewilligt. Der Antragsteller hat die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung beantragt, wobei für den Mehrvergleich u.a. eine 1,5-Einigungsgebühr berücksichtigt worden ist. Das ArbG hat die Vergütung festgesetzt und dabei eine 1,0-Einigungsgebühr angesetzt. Hiergegen hat sich der Antragsteller mit der erfolglosen Erinnerung und sodann mit der von dem ArbG zugelassenen Beschwerde gewandt.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist unbegründet. Die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung ist nicht zu gering angesetzt worden.
1. Die Erstattungspflicht der Staatskasse nach den §§ 45 ff. RVG ist streng akzessorisch, d.h. sie besteht hinsichtlich der einzelnen Gebührentatbestände nur in demjenigen Umfang, in dem der Mandant selbst einer entsprechenden Vergütungsverpflichtung unterliegt. Für das Bestehen eines erstattungsfähigen Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse reicht indessen der Anfall der angemeldeten Gebühr im Rahmen des Mandatsverhältnisses nicht aus. Denn im Festsetzungsverfahren nach den §§ 45 ff., 55 RVG können – von dem hier nicht einschlägigen Anwendungsbereich des § 48 Abs. 3 RVG abgesehen – einem beigeordneten Rechtsanwalt ausschließlich diejenigen Gebühren aus der Staatskasse ersetzt werden, die vom sachlichen Umfang des Bewilligungsbeschlusses gedeckt sind (§ 48 Abs. 1 RVG).
2. Der Vergütungsanspruch bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist (§ 48 Abs. 1 RVG). Geht es um Gebühren im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Mehrvergleichs, muss eine Bewilligung für den Mehrvergleich schon wegen der bindenden Wirkung für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts (§ 48 Abs. 1 RVG) und der Vermeidung von Unklarheiten im Vergütungsfestsetzungsverfahren klar aus dem Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss erkennbar sein. Dies ergibt sich auch aus § 48 Abs. 5 S. 1 RVG, der in Abgrenzung zu den Bestimmungen der Abs. 2 bis 4 eine ausdrückliche Beiordnung für "andere Angelegenheiten" verlangt. Entweder muss sich die Erstreckung daher direkt aus dem Tenor ergeben oder – soweit vorhanden – aus den Gründen des Beschlusses (BAG v. 30.4.2014 – 10 AZB 13/14; LAG Hamm v. 31.8.2007 – 6 Ta 402/07).
3. Der Prozesskostenhilfe-Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss rechtfertigt im Hinblick auf den Mehrvergleich nur den Ansatz einer Einigungsgebühr.
a) Nach den gesetzlichen Vorgaben kommt einerseits eine Bewilligung nach §§ 119, 114 ZPO für die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und andererseits eine eingeschränkte Bewilligung nur für eine Einigung nach § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO in Betracht.
aa) Prozesskostenhilfe kann unter den Voraussetzungen von § 114 ZPO einer Partei bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dabei ist für die Partei, die Prozesskostenhilfe für eine Klage begehrt, auf deren Erfolgsaussichten abzustellen. Nicht erforderlich ist, dass die Klage schon erhoben worden ist. Um einer Partei zu ermöglichen, gegebenenfalls auch bei fehlenden oder unzureichenden finanziellen Mitteln einen Rechtsstreit zu führen, kann ihr Prozesskostenhilfe auch für eine zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht erhobene, sondern nur beabsichtigte Klage bewilligt werden. Anders liegen die Dinge dagegen auf Seiten des Antragsgegners. Ihm ist unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn seine Rechtsverteidigung hinreichende Erfolgsaussicht hat. Dafür ist erforderlich, dass die gegen ihn gerichtete Klage unschlüssig ist oder er Tatsachen vorträgt, die zur Klageabweisung füh...