Die Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe gem. § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 1 FamFG liegen nicht vor.

1. Richtig ist, dass der Beschwerdeführer einen Umzug in eine neue Wohnung während des Zeitraums, in dem er der Anzeigepflicht gem. § 120a Abs. 2 ZPO unterlag, erst nach mehreren Monaten dem Gericht zur Kenntnis gebracht hat. Dass die Änderungsanzeige rein tatsächlich unterblieben ist, reicht aber schon nach dem Gesetzeswortlaut als Aufhebungsvoraussetzung ebenso wenig aus wie schlichtes Vergessen seitens des mitteilungspflichtigen Beteiligten. Es muss vielmehr ein diesem vorwerfbares Fehlverhalten von erheblichem Gewicht festgestellt werden.

Dabei ist der Verschuldensmaßstab ("absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit") bei einer verspäteten Adressenänderungsanzeige nicht etwa geringer als in den anderen Tatbestandsalternativen des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Insbesondere teilt der Senat nicht die Auffassung, die vorgenannten subjektiven Tatbestandsmerkmale seien im Falle einer verspäteten Erfüllung der Mitteilungspflicht von vornherein nicht heranzuziehen, weil mit der Pflicht zur "unverzüglichen" Anzeige ein eigenständiger Verschuldensmaßstab ("ohne schuldhaftes Zögern") verbunden sei. Denn dieser aus § 121 BGB abgeleitete Verschuldensmaßstab ist deutlich geringer, als es grobe Nachlässigkeit oder gar Absicht wären. Es ist indes sinnwidrig, die gleiche Sanktionsfolge (Verlust der VKH) unter Heranziehung eines niedrigeren Verschuldensmaßstabs umso eher greifen zu lassen, je geringer der Unwertgehalt des Mitteilungsverstoßes ausfällt. Unterlässt es der mitwirkungspflichtige Beteiligte, eine wesentliche Verbesserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse anzuzeigen, wozu er seit 1.1.2014 von sich aus gehalten ist, und versucht er damit (zumindest dem äußeren Geschehensbild nach), sich eine ungerechtfertigte Zuwendung aus der Staatskasse zu erhalten, so wird die Sanktion erst ausgelöst, wenn ihm dabei Absicht oder grobe Nachlässigkeit nachgewiesen werden kann. Demgegenüber soll die Verpflichtung, eine Anschriftenänderung unverzüglich mitzuteilen, ohnehin nur sicherstellen, dass der Beteiligte für das Gericht im VKH-Überwachungsverfahren unproblematisch erreichbar bleibt, hat also eine reine Hilfsfunktion. Bei einem Pflichtenverstoß des Beteiligten in diesem eher nachgeordneten Bereich ohne Weiteres die gleiche Rechtsfolge wie oben unter subjektiv deutlich weiteren Voraussetzungen eintreten zu lassen, und dies gerade auch in Fällen, in denen der Pflichtige seinen Fehler selbst behebt, hält der Senat weder vom Wortlaut noch durch Sinn und Zweck von § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO veranlasst (im Ergebnis ebenso LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 10.6.2015, Rpfleger 2015, 654).

2. Auch die unterlassene Mitteilung einer Adressenänderung muss mithin auf Absicht oder grober Nachlässigkeit beruhen. Beides liegt hier nicht vor; insbesondere lässt sich grobe Nachlässigkeit nicht ohne Weiteres daraus ableiten, dass der Beschwerdeführer die Belehrung über die Anzeigeverpflichtung unbeachtet gelassen hat. Denn würde das allein ausreichen, so würde im Regelfall schon die Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (unterbliebene Anzeige trotz Belehrung) ohne gesonderte Verschuldensprüfung zur Aufhebung der VKH führen; das entspricht nicht dem gesetzlichen Regelungsziel. Das Familiengericht geht im vorliegenden Fall selbst davon aus, dass der Beschwerdeführer die erforderliche Mitteilung an das Gericht vergessen habe. Das war sicher nachlässig, aber nicht grob nachlässig, rechtfertigt also ohne zusätzliche tatsächliche Anhaltspunkte, an denen es hier fehlt, nicht den Schluss, dass das Verhalten des Beschwerdeführers als ausnehmend sorglos anzusehen wäre und er seine verfahrensrechtlichen Pflichten in besonders schwerwiegender Weise verletzt hätte. Das gilt erst Recht, wenn man mit dem Familiengericht als gegeben annimmt, dass der Beschwerdeführer in der fraglichen Zeit aufgrund des weitgehend abgebrochenen Kontakts zu seiner Tochter persönlich und gesundheitlich angeschlagen war.

Nach alledem kann der Senat nicht umhin, den beanstandeten Beschluss aufzuheben; es bleibt daher bei der ratenfrei bewilligten Verfahrenskostenhilfe. Eine Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ist nicht veranlasst, weil Gerichtskosten angesichts des Beschwerdeerfolgs nicht erhoben, außergerichtliche Kosten gem. § 127 Abs. 4 ZPO, der auch im Familienverfahren gilt, aber nicht erstattet werden. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

AGS 3/2017, S. 143 - 144

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