Leitsatz
- Freistellung von der Arbeitspflicht nach § 37 Abs. 2 und 3 BetrVG und Freistellung/Erstattung von Schulungskosten nach § 40 BetrVG sind gesondert zu bewertende Gegenstände i.S.d. RVG (Änderung der Rspr. der Beschwerdekammer).
- Der Gegenstandswert des Freistellungs-/Erstattungsantrags betreffend die Schulungskosten ist als vermögensrechtlicher Anspruch regelmäßig in Höhe dieser Kosten anzusetzen.
- Der Gegenstandswert des Antrags auf Freistellung von der Arbeitspflicht gem. § 37 Abs. 2 und 3 BetrVG ist als nicht vermögensrechtlicher Anspruch gem. § 23 Abs. 3 S. 2 RVG festzusetzen. Dabei erscheint bei einwöchiger Freistellung eine Bewertung mit 25 % des Auffangwertes, also mit 1.250,00 EUR, als angemessen.
LAG Düsseldorf, Beschl. v. 22.8.2016 – 4 Ta 407/16
1 Sachverhalt
Die Beschwerdeführer haben den Betriebsrat im zugrundeliegenden Beschlussverfahren vertreten. Darin haben sie mit den Anträgen zu 1) und zu 2) die Feststellung der Verpflichtung der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin zur Freistellung des Betriebsratsmitglieds X. von der Arbeit für die Teilnahme an einem Grundlagenseminar v. 3.–8.7.2016 (Antrag zu 1) beziehungsweise zur Freistellung von den Veranstaltungskosten i.H.v. 1.825,05 EUR (Antrag zu 2) begehrt. Mit den Anträgen zu Ziffer 3) und 4) hat der Betriebsrat Entsprechendes für das weitere Grundlagenseminar v. 12.–17.6.2016 begehrt.
Mit Beschl. v. 6.4.2016 hat das ArbG den Gegenstandswert für das Verfahren insgesamt in Höhe der angefallenen Schulungskosten (3.651,00 EUR) festgesetzt und zur Begründung auf Nr. 14.2 des Streitwertkatalogs verwiesen.
Gegen den am 12.4.2016 zugestellten Beschluss haben die Beschwerdeführer am 26.4.2016 Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, das ArbG hätte neben den Schulungskosten auch die beiden Feststellungsanträge zur Verpflichtung der Arbeitgeberin auf Freistellung von der Arbeitsleistung bewerten müssen. Hierfür sei der einfache Hilfswert nach § 23 Abs. 2 AVG (5.000,00 EUR) angemessen.
Mit Beschl. v. 1.7.2016 hat das ArbG der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem LAG zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass aus der Entwicklung des Streitwertkatalogs nicht zu entnehmen sei, dass für die Freistellung von der Arbeitspflicht im Einzelfall nach § 37 Abs. 1 und 2 BetrVG neben den Schulungskosten auch der Wert der Freistellung zu berücksichtigen sei. Dies erscheine jedenfalls in den Fällen, in denen allein über die Erforderlichkeit der Schulung gestritten werde, nicht geboten.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg.
1. Nach der bisherigen Rspr. der Beschwerdekammer ist immer dann, wenn die Erforderlichkeit einer Betriebsratsschulung im Streit steht, der Gegenstandswert des Verfahrens nach § 23 Abs. 2 S. 3 RVG festzusetzen (5.000,00 EUR bzw. ein Bruchteil oder ein Vielfaches hiervon).
Die nunmehr erkennende Streitwertkammer beim LAG gibt diese Rspr. in Anlehnung an den Streitwertkatalog insoweit auf, als der Betriebsrat oder das Betriebsratsmitglied Kostenerstattung oder Freistellung von Kosten gem. § 40 BetrVG begehrt. In diesen Fällen liegt eine vermögensrechtliche Streitigkeit vor, deren Gegenstandswert sich nach der Höhe der zur Erstattung bzw. zur Freistellung begehrten Kosten richtet (ebenso Streitwertkatalog, Stand 4/16, Ziffer II 14.2).
Entgegen der Auffassung des ArbG ist darüber hinaus das vom Betriebsrat außerdem mit den Anträgen zu 1) und 3) verfolgte Feststellungsbegehren auf Freistellung von der Arbeitspflicht ohne Minderung des Arbeitsentgelts bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um einen gesonderten Streitgegenstand, der nicht notwendig das rechtliche Schicksal des Antrags auf Erstattung/Freistellung von den Kosten teilt. Der Umstand, dass im vorliegenden Fall – wie in der Regel – der Streit der Beteiligten allein der Frage der Erforderlichkeit der Schulungsmaßnahme gilt und hiervon beide Verfahrensanträge (Feststellung und Verpflichtung zur Freistellung) abhängen, vermag nichts daran zu ändern, dass es sich um unterschiedliche Streitgegenstände handelt. Ob und inwieweit im weiteren Verlauf des Rechtsstreits über die einzelnen Streitgegenstände gestritten wird, ist in dem für die Gebührenfestsetzung maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs der Anträge bei Gericht (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 40 GKG) regelmäßig nicht erkennbar.
Bei der Bemessung des Wertes der beiden Feststellungsanträge zur Verpflichtung der Arbeitgeberin auf Freistellung von der Arbeitsleistung ohne Minderung des Entgelts ist zu berücksichtigen, dass nach der ständigen Rspr. der Beschwerdekammer (Beschl. v. 18.12.2013 – 17 Ta 602/13, m.w.N.) von einer nicht vermögensrechtlichen Streitigkeit auszugehen ist. Danach findet § 23 Abs. 3 S. 2 RVG Anwendung.
Abweichend von der bisherigen Rspr. hält die nunmehr erkennende Beschwerdekammer für eine einwöchige Freistellung von der Arbeit jedoch nicht mehr den vollen Hilfswert i.H.v. (inzwischen) 5.000,00 EUR für angemessen. Darin läge regelmäßig ein Vielfaches der Vergütung, die der freizustellende Arbeitnehmer...