Leitsatz
- Eine gerichtliche Streitwertfestsetzung nach dem GKG kommt nicht in Betracht, wenn im gerichtlichen Verfahren keine wertabhängigen Gerichtsgebühren erhoben werden.
- Eine dennoch erfolgte Wertfestsetzung ist gegenstandslos und entfaltet auch keine Wirkung für die Anwaltsgebühren.
- Ungeachtet dessen ist eine Beschwerde zulässig und führt zur Aufhebung des Streitwertbeschlusses um den Rechtsschein einer Streitwertfestsetzung zu beseitigen.
Bayerischer VGH, Beschl. v. 4.11.2016 – 9 C 16.1684
1 Sachverhalt
Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen hat das VG das Vollstreckungsverfahren eingestellt, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt und den Streitwert "gem. §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 S. 1 GKG auf 3.750,00 EUR festgesetzt."
Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin Beschwerde eingelegte. Das VG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Rechtsmittel dem VGH vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die im eigenen Namen erhobene Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin gegen die Streitwertfestsetzung des VG Würzburg, über die gem. § 68 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 S. 1 Hs. 2 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, ist zulässig (§ 68 Abs. 1 GKG) und führt zur Aufhebung der Streitwertfestsetzung.
1. Bei der Entscheidung des VG handelt es sich ersichtlich um keine Entscheidung nach § 33 Abs. 1 RVG, sondern um eine Streitwertfestsetzung nach den Vorschriften des GKG.
Zum einen ergibt sich nämlich aus der Begründung des Streitwertbeschlusses, dass das VG den Streitwert "gem. §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 S. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit" festsetzen wollte und nicht einen für die Anwaltsgebühren maßgeblichen Wert gem. § 33 Abs. 1 RVG. Zum anderen fehlt es an dem für eine Wertfestsetzung gem. § 33 Abs. 1 RVG erforderlichen Antrag.
2. Die Voraussetzungen für eine Streitwertfestsetzung nach den Vorschriften des GKG waren nicht gegeben.
Nach § 63 Abs. 2 S. 1 GKG setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gerichtsgebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Voraussetzung für die Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 S. 1 GKG ist, dass die in Betracht kommende (Gerichts-)Gebühr nach dem Kostenverzeichnis (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) überhaupt von einem Kostenstreitwert abhängt (vgl. § 63 Abs. 1 S. 1 GKG: "Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten"; vgl. Hartmann, KostG, 46. Aufl., 2016, § 63 Rn 8, 16). Daran fehlt es im vorliegenden Verfahren, weil hinsichtlich des der Streitwertfestsetzung des VG zugrunde liegenden Verfahrens auf Vollstreckung aus einem "gerichtlichen Vergleich" entsprechend Nr. 2111 GKG-KostVerz. (ebenso Nr. 5301 GKG-KostVerz.) eine Festgebühr i.H.v. 20,00 EUR anfällt (s. auch OVG Hamburg, Beschl. v. 7.7.2016 – 5 So 110/15, juris Rn 26).
3. Zwar beschwert die Streitwertfestsetzung durch das VG die Verfahrensbeteiligten nicht, soweit es die Gerichtsgebühren betrifft, weil eine streitwertunabhängige Festgebühr anfällt (vgl. BayVGH, Beschl. v. 22.12.2014 – 15 C 14.2515). Auch kann die Streitwertfestsetzung keine Wirkungen gem. § 32 Abs. 1 RVG für die Anwaltsgebühren entfalten, da mangels gerichtlicher Festsetzung der für die Gerichtsgebühren maßgebenden Werte die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (vgl. Hartmann, a.a.O., § 32 RVG Rn 3). Es besteht aber zumindest der Rechtsschein, die nicht veranlasste Streitwertfestsetzung durch das VG sei vorliegend auch für die Rechtsanwaltsgebühren maßgeblich. Diesen Rechtsschein gilt es zu beseitigen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 22.12.2014 – 15 C 14.2514, juris Rn 4, Beschl. v. 22.12.2014 – 15 C 14.2278, juris Rn 16).
Mitgeteilt von Reg.-Dir. a.D. Heinrich Hellstab, Berlin
3 Anmerkung
Der VGH hat erfreulich deutliche Worte gefunden. Viele Richter wissen leider nicht, warum Streitwerte festgesetzt werden. Sie machen dies häufig aus lauter Gewohnheit, weil man dies immer schon so gemacht hat. Dabei schreiben alle Kostengesetze vor, dass eine Festsetzung des Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswerts von Amts wegen nur dann vorgesehen ist, wenn
|
Gerichtsgebühren erhoben werden und |
|
sich diese Gerichtsgebühren nach dem Wert richten. |
Insbesondere in Vollstreckungssachen und in zahlreichen Beschwerdeverfahren werden aber bei Gericht gar keine Gebühren oder Festgebühren erhoben, so dass eine gerichtliche Wertfestsetzung von Amts wegen ausscheidet. Gleichwohl werden hier Wertfestsetzungen vorgenommen. Das Problem, das sich dann ergibt, liegt darin, dass eine – oft sogar falsche – Wertfestsetzung zunächst einmal im Raum steht und scheinbar eine Bindungswirkung verursacht. Von daher ist es – wie hier – erforderlich, solche sinnlosen Wertfestsetzungen anzugreifen und beseitigen zu lassen.
Zutreffend ist zwar, dass für die anwaltlichen Gebühren ein Gegenstandswert benötigt wird. Darum haben sich aber der Anwalt und sein Mandant selbst zu kümmern. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, von Amts wegen solche Werte festzuset...