Leitsatz
Auch bei gegenläufigen Kindschaftssachen (hier: Umgang mit jeweils beim anderen Elternteil lebenden Kindern) handelt es sich nur um einen Verfahrensgegenstand i.S.v. § 45 Abs. 2 FamGKG.
OLG Koblenz, Beschl. v. 12.8.2016 – 11 WF 778/16
1 Sachverhalt
Die beteiligten Eltern haben bis zu ihrer Vereinbarung vor dem FamG wechselseitig um Umgang mit ihren Kindern, die ihren Lebensmittelpunkt zum Teil beim Vater und zum Teil bei der Mutter haben, gestritten.
Das AG hat den Verfahrenswert auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Bevollmächtigten des Kindesvaters, der das FamG nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde meint, es handele sich um zwei – auch getrennt verhandelbare – Kindschaftsverfahren, weshalb § 45 Abs. 2 FamGKG, der von einer Kindschaftssache ausgehe, nicht anwendbar sein könne.
2 Aus den Gründen
Die nach § 39 Abs. 2 RVG i.V.m. § 59 Abs. 1 S. 1 FamGKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das AG hat den Verfahrenswert zutreffend nach § 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FamGKG auf – nur – 3.000,00 EUR festgesetzt. Der Verfahrenswert bemisst sich am Gegenstand des Verfahrens. Danach ist der Verfahrenswert – auch dann – auf 3.000,00 EUR festzusetzen, wenn eine Kindschaftssache mehrere Kinder betrifft. Mehrere Kinder ändern nichts an der Annahme eines kindschaftsverfahrensrechtlichen Gegenstandes.
Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass dies dann anders sei, wenn zwei isolierte Verfahren denkbar sind, verfängt schon deshalb nicht, weil auch bei Beteiligung zweier Kinder auf einer Seite des Verfahrens zwei getrennte Verfahren möglich – und ohne Verbindung nach § 20 Alt. 1 FamFG – entsprechend mit jeweils 3.000,00 EUR zu bewerten wären.
Das ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber auch die Konstellation wie sie hier vorliegt unter § 45 Abs. 2 FamGKG fassen wollte. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob mehrere Kinder auf beiden Seiten der Eltern am Verfahren beteiligt sind oder auf nur einer Elternseite. Das wird vorliegend besonders augenfällig, weil auf Seiten des Kindesvaters zwei Kinder beteiligt sind und auf der "Gegen"Seite der Kindesmutter noch ein weiteres Kind am Verfahren teilnimmt. Der Verfahrenswert müsste dann entweder 9.000,00 EUR oder aber – § 45 Abs. 2 FamGKG berücksichtigend – 3.000,00 EUR berücksichtigen. Ein Wert von 6.000,00 EUR wie ihn die Beschwerdeführerin für richtig hält, wäre demgegenüber systemwidrig.
§ 45 Abs. 2 FamGKG berücksichtigt nämlich bereits die Tatsache, dass ein Verfahren mit mehreren beteiligten Kindern – grundsätzlich Mehrkosten auslösenden – Zusatzaufwand für das ermittelnde Gericht und die Rechtsanwaltschaft mit sich bringt. Dieser teilweise erhebliche anamnestische Mehraufwand (Kinder unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Gesundheit, unterschiedlicher Sozialisierung, unterschiedlicher Bindung) soll mit 3.000,00 EUR abgegolten sein. Dann macht es aber keinen Unterschied, ob die Kinder auf ein und derselben oder auf verschiedenen Seiten des Verfahrens erscheinen.
Ein überschießender Mehraufwand ist dadurch allenfalls deshalb verbunden, weil die Bindungsstrukturen und Toleranzen von Kindern und Eltern aus anderen Blickwinkeln beleuchtet werden müssen. Das rechtfertigt aber noch nicht die Annahme, § 45 Abs. 2 FamGKG habe diese – etwas atypische – Konstellation nicht (auch) im Blick.
Nur wenn noch weitere Kindschaftssachen mit verbunden sind (also z.B. ein Verfahren bezüglich des Umgangsrechts neben einer Sorgerechtssache), erhöht sich der Verfahrenswert entsprechend weiter, jedoch immer unabhängig von der Anzahl der von den Verfahren betroffenen Kinder (Klüsener, in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., 2014, § 44 FamGKG Rn 7). Dies soll insbesondere kinderreiche Familien davor bewahren, dass für sie das Scheidungsverfahren wegen der Kinder übermäßig verteuert wird (BT-Drucks 16/6308, 306).
§ 45 Abs. 2 FamGKG soll – entsprechend § 44 Abs. 2 FamGKG – (nur) klarstellen, dass der Verfahrenswert auch dann 3 000,00 EUR beträgt, wenn sich die Kindschaftssache auf mehr als ein Kind (BT-Drucks 16/6308, 306) bezieht.
AGS 3/2017, S. 130