Das OLG hat im Vaterschaftsfeststellungsverfahren zutreffend Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für Mutter und Kind bewilligt, weil im Verfahren Auslandsbezüge verfahrensgegenständlich waren und die Beteiligten nur eingeschränkte Kenntnisse der deutschen Sprache besaßen. Diese Umstände bestätigen auf jeden Fall die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage i.S.d. § 78 Abs. 2 FamFG, weil insoweit die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Auch der "Grundsatz der Waffengleichheit" ist zutreffend berücksichtigt worden, insoweit sowohl Antragsteller als auch Kind anwaltlich vertreten waren, obwohl der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hat, dass dieser Grundsatz in den nicht kontradiktorisch geführten Verfahren eigentlich nicht (mehr?) maßgeblich sein soll.
Problemstellung: § 78 Abs. 2 FamFG regelt die Voraussetzungen für die Anwaltsbeiordnung in Verfahren ohne Anwaltszwang, während § 78 Abs. 1 FamFG für die sich aus § 114 FamFG ergebenden Verfahren gilt, für die eine Vertretung durch einen Anwalt vorgeschrieben ist. Mit der Vorschrift hat der Gesetzgeber die bis dahin streitige Frage beantwortet, ob § 121 Abs. 2 ZPO auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung findet (dagegen hatten sich nach bisherigem Recht zu § 14 FGG a.F. ausgesprochen: BayObLG, OLG Nürnberg, OLG Hamm, OLG Zweibrücken. Auch in der Lit. wurde diese Auffassung vertreten.
§ 78 Abs. 2 FamFG bestimmt, dass die Beiordnung eines Anwalts in den regelmäßig nicht streng kontradiktorisch geprägten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht bereits deshalb geboten ist, weil ein anderer Beteiligter anwaltlichen Beistand hat. Der Grundsatz der prozessualen "Waffengleichheit" in § 121 Abs. 2 ZPO beruhe auf den Besonderheiten des Zivilprozesses. Aus diesem Grund entspreche es im Zivilprozess dem Grundsatz der prozessualen "Waffengleichheit", einer Partei auf Antrag allein schon deshalb einen Rechtsanwalt beizuordnen, weil auch die Gegenseite anwaltlich vertreten ist. In den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sei das Gericht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes zur Aufklärung des Sachverhaltes verpflichtet und den Interessen der Beteiligten insoweit hinreichend Rechnung getragen."
Hinweis
Zu einer einschränkenden Auslegung der Vorschrift des § 78 Abs. 2 FamFG ermuntert bereits der BGH in einer am 23.6.2010 verkündeten grundlegenden Entscheidung, auf die das OLG zutreffend hinweist.
Zwar können und müssen in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit Beweise auch von Amts wegen erhoben werden. Trotz dieser sich aus § 26 FamFG ergebenden Amtsermittlungspflicht muss den Beteiligten des Verfahrens aber die Möglichkeit verbleiben, das Verfahren in eigenem Interesse zu betreiben und zu begleiten. Deshalb darf auch im Verfahren, dem die Amtsermittlung zugrunde liegt, ein mittelloser Beteiligter nicht schlechter gestellt werden als ein Beteiligter, der die Kosten des Verfahrens selbst aufbringen kann.
"Auch wenn der Grundsatz der Waffengleichheit kein allein entscheidender Gesichtspunkt für die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe mehr ist, kann der Umstand der anwaltlichen Vertretung anderer Beteiligter ein Kriterium für die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage sein."
Es ist zweifelhaft, ob die "Verbannung" des Grundsatzes der Waffengleichheit aus den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit verfassungsgemäß ist. Das BVerfG sollte mit der Beantwortung dieser Frage befasst werden!
Rechtsanwältin und FAFamR Lotte Thiel, Koblenz