VersAusglG § 10 RVG VV Nrn. 1000, 1003
Leitsatz
- Nach dem am 1.9.2009 in Kraft getretenen Versorgungsausgleichsgesetz ist ein Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs wechselseitig, wenn beide Beteiligte Versorgungsanwartschaften erworben haben.
- Bei einem derart wechselseitigen Verzicht der Beteiligten steht dem mitwirkenden Rechtsanwalt eine Einigungsgebühr zu (im Anschluss an OLG Hamm AGS 2012, 137).
OLG München, Beschl. v. 12.1.2012 – 11 WF 2265/11
1 Sachverhalt
In dem vor dem AG durchgeführten Verhandlungstermin haben die Parteien jeweils unter Mitwirkung ihrer Rechtsanwälte eine Vereinbarung geschlossen, wonach sie auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet und diesen Verzicht wechselseitig angenommen haben. Durch Beschluss wurde die Ehe der Parteien geschieden. Der Antragsgegnerin war Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin aus der Staatskasse zu zahlenden Prozesskostenhilfevergütung auf 755,65 EUR festgesetzt. Die beantragte Festsetzung einer 1,0-Einigungsgebühr in Höhe von 212,00 EUR netto wurde zurückgewiesen, die hiergegen gerichtete Erinnerung der beigeordneten Rechtsanwältin blieb erfolglos.
Dagegen richtet sich die Beschwerde, mit der die Antragsgegnerin die Festsetzung der Einigungsgebühr weiterverfolgt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass nach neuem Recht statt des einmaligen Ausgleichs der Versorgungsanwartschaften nunmehr beide Parteien durch die Teilung jedes Versorgungsrechts sowohl berechtigt, als auch verpflichtet seien. Die frühere Rspr. zum alten VA-Recht könne deshalb nicht mehr herangezogen werden. Eine Einigungsgebühr sei weiter deshalb angefallen, da der Antragsteller auch beantragt habe, den Versorgungsausgleich wegen Unbilligkeit auszuschließen. Insoweit sei durch den Vergleich auch ein Streit der Parteien über den Ausgang des Versorgungsausgleichsverfahrens erledigt worden. Ohne die Einigung hätte das Gericht entscheiden müssen, ob ein Ausgleich der Anwartschaften beim gesetzlichen Versorgungsträger trotz der im Bagatellbereich liegenden geringen Wertdifferenz durchzuführen gewesen wäre. Ein bloßer Verzicht oder ein einseitiges Anerkenntnis liege deshalb nicht vor.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern die Akten dem Senat zur Entscheidung zugeleitet.
2 Aus den Gründen
Das Rechtsmittel ist begründet. Das AG hat die Festsetzung der Einigungsgebühr aus dem Wert des Versorgungsausgleichs zu Unrecht abgelehnt.
Nach Anm. Abs. 1 S. 1 zu Nr. 1000 VV entsteht die Einigungsgebühr, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.
Die Frage, ob und wann bei einem wechselseitig vereinbarten Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs eine Einigungsgebühr anfällt, wurde in der Rspr. der Oberlandesgerichte bereits für den bis 31.8.2009 gültigen Rechtszustand unterschiedlich beantwortet.
a) Die Oberlandesgerichte Stuttgart (NJW 2007, 1072 = MDR 2007, 304 = FamRZ 2007, 232) und Karlsruhe (NJW 2007, 1072 = AGS 2007, 135) verneinten den Anfall einer Einigungsgebühr, wenn sich die Vereinbarung der Parteien über den Versorgungsausgleich auf einen Verzicht des Ausgleichsberechtigten beschränke. Das OLG Karlsruhe hat diese Rspr. gem. Beschl. v. 28.8.2009 – 16 WF 133/09 (FamRZ 2009, 2111 = MDR 2009, 1312 [= AGS 2010, 15]) bestätigt, wenn die Person des Ausgleichspflichtigen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung noch nicht feststehe. Die Oberlandesgerichte Nürnberg (NJW 2007, 1071 = FamRZ 2007, 573 [= AGS 2007, 134]) und Celle (FamRZ 2007, 2001) haben den Anfall der Einigungsgebühr dagegen auch in Fällen bejaht, in denen die Auskünfte der Versorgungsträger bereits vorlagen. In dem vom Oberlandesgericht Nürnberg entschiedenen Fall stand allerdings im Raum, dass der durchzuführende Versorgungsausgleich wegen Unbilligkeit hätte ausgeschlossen oder beschränkt werden können. In dem vom Oberlandesgericht Celle entschiedenen Fall stand wegen ungeklärter Ostanrechte einer Partei noch nicht fest, welche Partei insgesamt höhere Anwartschaften erlangt hatte und damit ausgleichsberechtigt war.
b) Die Oberlandesgerichte Koblenz (AGS 2008, 445), Köln (NJW 2009, 237), Hamm (OLGR 2007, 230 u. Beschl. v. 29.3.2007 – 6 WF 91/07), Düsseldorf (JurBüro 2008, 195 und AGS 2008, 248), Naumburg (AGS 2009, 222) und Zweibrücken (MDR 2009, 1314 [= AGS 2009, 486]) sowie das KG (JurBüro 2010, 359 = AGS 2010, 325) bejahten den Anfall der Einigungsgebühr dann, wenn im Zeitpunkt der Vereinbarung die Höhe der Ausgleichsansprüche, die Person des Ausgleichsberechtigten oder der Umfang eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs noch nicht feststand.
c) Der Senat hat in drei Beschlüssen v. 15.2.2008 – 11 WF 718/08, v. 3.7.2009 – 11 WF 1237/09 – u. v. 17.9.2010 – 11 WF 1356/10 – den Anfall der Einigungsgebühr in Fällen vern...