In der Rspr. des BGH ist anerkannt, dass eine Partei, welche an einem auswärtigen Gericht klagt, in der Regel einen an ihrem Wohnort oder Sitz ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragen darf und dessen Reisekosten als Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung gem. § 91 Abs. 1 ZPO vom Gegner ersetzt verlangen kann, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn diese Reisekosten die Kosten eines Unterbevollmächtigten beträchtlich übersteigen (Beschl. v. 11.12.2007 – X ZB 21/07 [= MDR 2008, 350]; Beschl. v. 28.1.2010 – III ZB 64/09). Entscheidet sich die Partei stattdessen für die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten zur Terminsvertretung, sind dessen Kosten nur dann erstattungsfähig, wenn sie um nicht mehr als 10 % die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten überschreiten (BGH NJW 2003, 898 [= AGS 2003, 97]; NJW-RR 2005, 707 [= AGS 2005, 41]). Hiervon ist auch das LG im vorliegenden Fall ausgegangen und hat lediglich die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten des Klägers (629,05 EUR) berücksichtigt, weil die Kosten des Unterbevollmächtigten (930,82 EUR) diese um mehr als 10 % übersteigen.
Die letztgenannten Entscheidungen des BGH dürften mit der Kommentierung von Gerold/Schmidt/Müller-Rabe (RVG, 19. Aufl., Nr. 3401 Rn 82) dahingehend zu verstehen sein, dass die Vergleichsberechnung aus der Ex-post-Betrachtung vorzunehmen ist – also anhand der tatsächlich angefallenen Kosten – und nicht aus der Ex-ante-Sicht. Mithin spielt es nach dieser Auffassung und entgegen der Beschwerde im vorliegenden Fall keine Rolle, von welchem Prozessverlauf die Partei ausgehen durfte und ob es aus der Ex-ante-Sicht möglicherweise kostengünstiger gewesen wäre, statt der Anreise des Prozessbevollmächtigten einen Unterbevollmächtigten zu beauftragen; dieser Unsicherheitsfaktor wird über die 10 %ige Toleranzgrenze ausgeglichen, während im Übrigen die Partei das Risiko einer unzutreffenden Prognose trägt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a.a.O.). Die Auferlegung dieses Risikos erscheint deshalb nicht unbillig, weil die Partei – wenn sie es vermeiden will – grundsätzlich das Recht hat, ihren Prozessbevollmächtigten auch mehrfach anreisen zu lassen (s.o.).
Allerdings ist es nach Auffassung des Senats konsequent, die 10 %ige Toleranzgrenze auch dann zum Ausgleich des Risikos einer fehlerhaften Prognose der Partei zu bringen, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Kosten des Unterbevollmächtigten die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten um mehr als 10 % übersteigen. Das bedeutet, dass die Partei dann 110 % der fiktiven Reisekosten erstattet verlangen kann. Dieses Ergebnis entspricht zudem der Billigkeit, weil es auch im Interesse der gegnerischen Partei liegt, dass die erstattungsberechtigte Partei Überlegungen dazu anstellt, ob es kostengünstiger ist, einen Unterbevollmächtigten zu bestellen als ihren Prozessbevollmächtigten gegebenenfalls mehrfach anreisen zu lassen, was ihr – wie ausgeführt – grundsätzlich als Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung erlaubt ist. Der Senat folgt damit der Rspr. des OLG Frankfurt (Beschl. v. 29.9.2004 – 12 W 152/04) und des KG (Beschl. v. 24.10.2007 – 2 W 114/07) sowie der Kommentierung von Zöller/Herget (ZPO, 28. Aufl., § 91 Rn 13 "Unterbevollmächtigter"). In einer jüngeren Entscheidung hat das OLG Oldenburg allerdings eine gegenteilige Auffassung vertreten und – wie vorliegend das LG – lediglich 100 % der fiktiven Reisekosten anerkannt (Beschl. v. 18.2.2008 – 5 W 8/08).
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. zur Vergleichsberechnung bei der Einschaltung eines Unterbevollmächtigten zugelassen (§§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ZPO).