ZPO §§ 3, 255, 259
Leitsatz
- Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe eines Kraftfahrzeugbriefs ist mit einem Bruchteil des Verkehrswerts des Fahrzeugs zu bewerten. Ein Bruchteil von einem Drittel ist i.d.R. angemessen. Ein höherer Bruchteil ist nur dann anzusetzen, wenn mit dem Zurückbehalten des Briefes eine besondere Vermögensgefährdung verbunden ist.
- Wird auf Herausgabe geklagt unter gleichzeitigem Antrag auf Fristsetzung zur Herausgabe und Schadensersatz für den Fall der Fristversäumnis, ist wegen wirtschaftlicher Identität nur der Wert des Herausgabeantrags maßgebend.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2011 – I-24 W 20/11
1 Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Das LG hat den Streitwert im Ergebnis zutreffend auf 2.800,00 EUR festgesetzt.
1. Das LG hat zu Recht bei der Bemessung des Streitwerts allein auf den geltend gemachten Herausgabeanspruch abgestellt. Denn bei der Verbindung eines Herausgabeantrags mit der Verurteilung zum Schadensersatz nach fruchtlosem Ablauf einer Frist (§§ 255, 259 ZPO) ist wegen der wirtschaftlichen Identität beider Ansprüche nur der Herausgabeanspruch zu bewerten (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 3 Rn 16 "Schadensersatz" und § 255 Rn 6). Dies wird auch mit der Beschwerde nicht angegriffen.
2. Der Streitwert einer Klage, die auf Herausgabe eines Kraftfahrzeugbriefes gerichtet ist, bestimmt sich nach dem Interesse des Klägers an der Herausgabe des Briefes (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1999, 891; OLG Saarbrücken JurBüro 1990, 1661; Schneider, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rn 2776; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rn 16 "Herausgabeklagen"). Dessen Wert ist nach § 3 ZPO vom Gericht nach freiem Ermessen zu schätzen. Dabei ist maßgebend, ob durch die Zurückhaltung des Briefes eine erhebliche Gefährdung der Vermögensinteressen des Klägers eingetreten ist (Schneider, a.a.O., Rn 2779 u. 2785).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der vom LG festgesetzte Streitwert von 2.800,00 EUR, der 34 % des kalkulierten Fahrzeugrestwerts von 8.158,17 EUR entspricht, angemessen. Soweit die Beschwerdeführerin sich auf eine Entscheidung des LG Augsburg (Beschl. v. 3.11.2000 – 10 T 4495) beruft, nach der in der Regel der Streitwert für die Herausgabe eines Kraftfahrzeugbriefes die Hälfte des Zeitwerts des Fahrzeugs betragen soll, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Nach der obergerichtlichen Rspr. (OLG Düsseldorf MDR 1999, 891; OLG Saarbrücken JurBüro 1990, 1661; OLG Nürnberg MDR 1969, 1020), der sich der Senat anschließt, ist ein Streitwert von der Hälfte des Fahrzeugwertes nur bei Vorliegen einer besonderen Beeinträchtigung der Interessen des Klägers anzunehmen. Eine solche kann beispielsweise gegeben sein, wenn das Fahrzeug weiterveräußert werden soll. Zwar hat die Klägerin entgegen der Darstellung im Nichtabhilfebeschluss des LG angegeben, dass sie das Fahrzeug bereits seit Januar 2009 verkaufen wollte und zuletzt im Mai 2009 zwei Kaufinteressenten gehabt habe. Der pauschale Vortrag, der Verkauf sei daran gescheitert, dass der Fahrzeugbrief zu diesem Zeitpunkt nicht verfügbar gewesen sei, ist für den Senat aber nicht nachvollziehbar. Denn dieses ist auch bei dem Verkauf von finanzierten Fahrzeugen, bei denen sich der Fahrzeugbrief im Besitz der finanzierenden Bank befindet, die Regel. Eine besondere Vermögensgefährdung scheidet zudem deswegen aus, weil sich die Beklagte nicht des Eigentums an dem Fahrzeug berühmt, sondern lediglich ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB wegen einer geringfügigen Forderung i.H.v. 380,05 EUR geltend gemacht hat. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint der vom LG festgesetzte Streitwert angemessen.
2 Anmerkung zu Leitsatz 1)
In Verfahren auf Herausgabe eines Kfz-Briefs gilt Folgendes:
I. Klage auf Herausgabe
Der Wert einer Klage auf Herausgabe eines Kraftfahrzeugbriefs bestimmt sich weder nach dem Sachwert des Briefs noch nach dem vollen Wert des Fahrzeugs, sondern nach dem Interesse des Klägers an der Verfügungsgewalt über das Dokument. Dieses Interesse ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Es ist auf jeden Fall höher zu bewerten als die Kosten der Beschaffung eines neuen Briefs oder die Kosten der Kraftloserklärung.
Geht es lediglich um die Herausgabe des Briefs und ist das Fahrzeug durch den fehlenden Brief nicht in seiner Nutzung beeinträchtigt, so ist nach OLG Düsseldorf lediglich ein Bruchteil in Höhe von 1/10 des Verkehrswerts anzunehmen.
Verweigert der Besitzer des Briefs die Herausgabe unter Berufung auf sein Eigentum am Fahrzeug, so ist ein höherer Wert als 1/10 anzusetzen. Sofern keine Gefährdung der Vermögensinteressen vorliegt, ist nach OLG Düsseldorf in diesem Fall ein Wert in Höhe von 1/3 des Verkehrswertes maßgebend.
Dagegen nehmen OLG Köln, OLG Nürnberg und LG Augsburg grundsätzlich einen Betrag in Höhe des hälftigen Fahrzeugwertes an.
Die Bewertung im Ergebnis offen gelassen hat das LG Bochum, das den Streitwert mindestens mit 1/10 des Fahrzeugwertes, höchstens jedoch mit der Hälfte bewerten wil...