Leitsatz
Wird ein Anwalt, der seinen Kanzleisitz nicht im Gerichtsbezirk unterhält, uneingeschränkt beigeordnet, so ist diese uneingeschränkte Beiordnung für das Verfahren auf Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Anwalts auch dann bindend, wenn der Anwalt nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts hätte beigeordnet werden dürfen. Der Anwalt erhält daher seine gesamten Reisekosten aus der Landeskasse.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.1.2014 – II-10 WF 1/14
1 Aus den Gründen
Die Beschwerde der Landeskasse ist gem. § 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 2 RVG kraft Zulassung zulässig, jedoch unbegründet.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die in jeder Hinsicht zutreffenden Gründe der angefochtenen amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen, die durch das Beschwerdevorbringen nicht berührt werden.
Zutreffend weist das AG insbesondere darauf hin, dass im Verfahren nach § 55 RVG nicht zu prüfen ist, ob die unbeschränkte Beiordnung des Beschwerdegegners mit amtsgerichtlichem Beschluss zu Recht erfolgt ist. Der Vergütungsanspruch richtet sich gem. § 48 RVG nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Im Vergütungsfestsetzungsverfahren ist der Beiordnungs- und Bewilligungsbeschluss als Kostengrundentscheidung bindend und einer materiell-rechtlichen Überprüfung entzogen (Senat, Beschl. v. 8.1.2008 – II-10 WF 28/07 [= AGS 2008, 247]).
Dahinstehen kann angesichts dessen auch, ob ein Beiordnungsantrag regelmäßig ein konkludentes Einverständnis des Rechtsanwalts mit einer dem Mehrkostenverbot des § 78 Abs. 3 FamFG entsprechenden Einschränkung der Beiordnung enthält (so BGH FamRZ 2007, 37). Denn die Beiordnung ist vorliegend ohne eine solche Einschränkung erfolgt. Zu überprüfen, ob dies rechtmäßig war, liefe dem Wesen des Festsetzungsverfahrens zuwider und würde die Bestandskraft der Beiordnungsentscheidung in Frage stellen (vgl. Senat, a.a.O.).
2 Anmerkung
Unabhängig davon, dass gerichtliche Beschlüsse begrifflich nicht bestands-, sondern nur rechtskräftig bzw. -wirksam sein oder werden können, ist die Entscheidung des OLG zutreffend: Der beigeordnete Anwalt hat einen Anspruch auf Ersatz seiner Auslagen, insbesondere seiner Reisekosten, insoweit er nicht eingeschränkt beigeordnet worden ist.
Eine eingeschränkte Beiordnung war durch das Gericht nicht bestimmt worden. Deshalb war der Beschluss über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe unter uneingeschränkter Beiordnung des Rechtsanwalts mit Ablauf der Rechtsmittelfrist gegen den Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss wirksam geworden. Dem Rechtsanwalt stand folgerichtig ein Anspruch auf Ersatz seiner gesamten Auslagen in dem tatsächlich entstandenen Umfang zu.
Reisekosten werden in diesem Fall gem. § 46 Abs. 1 RVG nur dann nicht oder nicht in vollem Umfang vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Die Anreise des uneingeschränkt beigeordneten Rechtsanwalts zu einem gerichtlichen Termin ist aber immer sachgemäß i.S.d. § 46 Abs. 1 RVG. Der Urkundsbeamte im Vergütungsfestsetzungsverfahren ist daher nicht berechtigt, die Reisekosten abzusetzen mit dem Argument, der Richter habe eingeschränkt beiordnen müssen, weil er an den Inhalt des Beschlusses, durch den die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Anwalt beigeordnet wurde, gebunden ist (§ 48 Abs. 1 RVG).
Folgende Fälle sind bei der Abrechnung der Reisekosten des beigeordneten Rechtsanwalts zu unterscheiden:
1. Hat der Anwalt seine Kanzlei am selben Ort, an dem sich das Gericht befindet, so fallen Reisekosten nicht an, weil eine Geschäftsreise i.S.d. Vorbem. 7 Abs. 2 RVG nicht vorliegt. Reisekosten können demnach auch nicht aus der Landeskasse erstattet werden.
2. Hat der Anwalt seine Kanzlei nicht an dem Ort, an dem sich das Gericht befindet, allerdings noch innerhalb des Gerichtsbezirks, können Reisekosten beansprucht werden.
Beispiel
Der Anwalt hat seine Kanzlei im 30 km vom Gericht entfernten Nachbarort, der noch zum Gerichtsbezirk gehört.
Reisekosten werden in diesem Fall immer ausgelöst, weil das Reiseziel außerhalb der Gemeinde gelegen ist, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befinden und deshalb eine Geschäftsreise i.S.d. Vorbem. 7 Abs. 2 RVG vorliegt. Eine eingeschränkte Beiordnung ist nach dem Gesetz in diesem Fall nicht zulässig. Der Anwalt erhält seine Reisekosten aus der Landeskasse erstattet. Die Beiordnung des am Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts, der weder seinen Wohnsitz noch seine Kanzlei am Gerichtsort hat, darf nicht dahingehend eingeschränkt werden, dass die Beiordnung nur zu den Bedingungen eines "ortsansässigen Anwalts" erfolge.
Erfolgt contra legem eine solche Einschränkung, so ist sie innerhalb der Frist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO anzufechten; danach beträgt die Notfrist für die sofortige Beschwerde einen Monat.
Bleibt die falsche Einschränkung unangefochten, so entsteht die Bindungswirkung gleichermaßen mit der Folge, dass die Reisekosten aus der Landeskasse, die außerha...