Die Gläubigerin hatte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt und hat dabei Forderungen gegen die Schuldnerin in einer Höhe von 269.557,52 EUR behauptet. Das AG den Antrag der Gläubigerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin als unzulässig abgewiesen und den Verfahrenswert gem. § 58 Abs. 2 GKG auf 269.557,52 EUR festgesetzt.
Die Schuldnerin hat daraufhin beantragt, den Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren ihrer Vertretung nach ihrem gesamten Anlage- und Umlaufvermögen zu bemessen und daher auf den gesetzlichen Höchstwert von 30 Mio. EUR festzusetzen. Die Gebühr für den Schuldnervertreter berechne sich gem. § 28 Abs. 1 S. 1 RVG nach dem Wert der Insolvenzmasse i.S.v. § 58 Abs. 1 GKG. Allein in § 58 Abs. 1 GKG werde der Begriff des Werts der Insolvenzmasse konkretisiert. Es komme gem. § 58 Abs. 1 S. 1 GKG auch für den Fall der Nichteröffnung des Verfahrens allein auf den "Wert der Insolvenzmasse zum Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens" an. In § 58 Abs. 2 GKG gehe es nur um den Wert der Forderung des Gläubigers, der allein für die Festsetzung der Gerichtsgebühren maßgeblich sein könne. Einer Festsetzung des Gegenstandswerts auf 30 Mio. EUR stehe auch der in Art. 19 Abs. 4 GG verankerte Justizgewährungsanspruch nicht entgegen. "Gegenstand" eines Insolvenzverfahrens sei nicht nur die Forderung des Gläubigers, sondern das gesamte Schuldnerunternehmen, was bei der Festsetzung des Gegenstandswerts berücksichtigt werden müsse.
Die Bevollmächtigte der Gläubigerin hat u.a. vorgetragen, dass § 28 Abs. 1 RVG nicht nur auf § 58 Abs. 1 GKG verweise, sondern auf die gesamte Norm. Mangels Eröffnung des Verfahrens existiere im vorliegenden Falle keine Insolvenzmasse i.S.d. §§ 28 RVG, 35 InsO, die der Verfahrensgebühr des Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin zugrunde zu legen sei. Die Festsetzung des Streitwerts in Höhe der Insolvenzmasse würde zudem dem Justizgewährungsanspruch gem. Art. 19 Abs. 4 GG zuwiderlaufen. Darüber hinaus könne die Insolvenzmasse nicht durch Aufzeigen der Aktivseite der Bilanz dargestellt werden.
Das AG hat den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin auf 30 Mio. EUR festgesetzt und dabei ausgeführt, dass § 58 Abs. 2 GKG bei einem Auftrag durch den Schuldner nicht anwendbar sei, sondern sich der Wert der anwaltlichen Tätigkeit nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 1 S. 1 RVG nach dem Wert der in § 58 Abs. 1 GKG näher bestimmten Insolvenzmasse richte. Die Vorschrift des § 28 RVG gehe ersichtlich davon aus, dass die Tätigkeit eines Schuldnervertreters ein andersartiges wirtschaftliches Interesse zum Gegenstand habe als die Tätigkeit eines Gläubigervertreters. Für den Anwalt des Schuldners sei mit dem an der Masse ausgerichteten Wert gesichert, dass die Höhe seiner Vergütung mit der Höhe seines Haftungsrisikos und dessen zur Deckung nötigen Kosten steige. Es lasse sich aus dem Gesetz nichts dafür entnehmen, dass dies im Eröffnungsverfahren – und nur dann, wenn es nicht in eine Eröffnung münde – anders sein solle. Auch die Tatsache, dass sich die fiktive Insolvenzmasse nicht ohne weiteres ermitteln lasse, spreche nicht für eine Unanwendbarkeit des § 28 Abs. 1 S. 1 RVG. Auch der Justizgewährleistungsanspruch gem. Art. 19 Abs. 4 GG erzwinge keine Auslegung der Gebührenvorschriften dahingehend, dass sich der Geschäftswert der anwaltlichen Tätigkeit des Schuldnervertreters im Eröffnungsverfahren bei Nichteröffnung des Verfahrens nicht nach § 28 Abs. 1 S. 1 RVG bestimme. Es könne nicht streitig sein, dass das Interesse eines Bauunternehmens mit mehr als 3.000 Mitarbeitern, seine Liquidation zu verhindern, die Aufwendung von Anwaltskosten in einer Größenordnung von 90.000,00 EUR rechtfertige. Wenn es um die Abwehr offensichtlich nicht aussichtsreicher Insolvenzanträge von Gläubigern mit zweifelhafter Bonität gehe, dürften Schuldner, deren potenzielle Insolvenzmasse Millionenwert habe, zur Erlangung wirksamen Rechtsschutzes nicht auf die Beauftragung eines Anwalts zu den gesetzlichen Gebühren angewiesen sein. Zudem müsse der Kleingläubiger wie der Großgläubiger, der einen Insolvenzantrag stelle, wissen, dass er damit in erheblichem Maße wirtschaftliche Interessen des Schuldners bedrohe. Es könne daher nicht geboten sein, dass sich der Anwalt des um seine Existenz kämpfenden Schuldners auf nicht am Haftungsrisiko orientierte Gebühren verweisen lassen müsse, weil im Falle des Erfolgs seiner Tätigkeit ein Dritter dem Schuldner gegenüber erstattungspflichtig werde.
Die Bevollmächtigte der Gläubigerin hat daraufhin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG eingelegt und vorgetragen, das AG verkenne, dass die zitierten Entscheidungen des LG Berlin mit Beschl. v. 11.3.2009 – 82 T 905/08 – und des BGH v. 25.5.1970 – VII ZR 190/68 eine andere Konstellation gehabt hätten, d.h. dass die angemeldete Forderung weit höher gewesen sei als die tatsächliche Insolvenzmasse.
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