Leitsatz
Auch der Beschuldigte, der in einer Einrichtung der Jugendhilfe zur Vermeidung von Untersuchungshaft nach § 72 Abs. 4 JGG i.V.m. § 71 Abs. 2 JGG untergebracht ist, befindet sich nicht auf freiem Fuß.
LG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2013 – 7 Ks 10 Js 72/12 – 25/12
1 Sachverhalt
Der Verteidiger des Verurteilten beantragte die Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung für die entstandenen Gebühren und Auslagen für das Revisionsverfahren in Höhe von insgesamt 1.574,52 EUR. Dabei machte er wegen des Aufenthaltes des Verurteilten in der Haftvermeidungseinrichtung nach Außervollzugsetzung des Haftbefehls einen "Haftzuschlag" geltend. Das Gericht setzte lediglich einen Betrag von 1.608,65 EUR fest. Bei der Berechnung erkannte es lediglich einen Zuschlagsbetrag in Bezug auf die Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren gem. Nrn. 4130, 4131 VV nicht an. Anstelle der beanspruchten 505,00 EUR setzte es – ohne Zuschlag – lediglich 412,00 EUR und damit 93,00 EUR weniger als beantragt fest.
Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Ein Anspruch auf Festsetzung der Gebühr aus Nrn. 4130/4131 VV mit Zuschlag besteht.
Gem. Vorbem. 4 Abs. 4 VV ist dies der Fall, wenn sich "der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß befindet". Auch wenn §§ 72 Abs. 4, 71 Abs. 2 JGG keine Maßnahmen der Freiheitsentziehung, sondern vorläufige Erziehungsmaßnahmen bezwecken und die "Schutzvorkehrungen" gegen Entweichen in einer Haftvermeidungseinrichtung geringer als in der Haft sind, befindet sich der Betroffene insbesondere nach dem Wortlaut und Sinn und Zweck der Vorschrift "nicht auf freiem Fuß". Er unterlag zum einen auch in der Einrichtung diversen Kontrollen und unterstand zudem den Auflagen aus dem gerichtlichen Beschluss. Nach der obergerichtlichen Rspr. (vgl. nur OLG Jena NStZ-RR 2003, 160) stellt der Gesetzgeber bei der Formulierung gerade ausdrücklich nicht auf Straf- oder Untersuchungshaft ab. Vielmehr soll grundsätzlich jede die Freiheit einschränkende Maßnahme erfasst sein. Auch in derartigen Fällen kann es zu allgemeinen Kommunikationsschwierigkeiten, die zu einer zeitaufwendigen Verteidigung führen, kommen. Besprechungstermine in der Kanzlei können nicht ohne weiteres vereinbart werden, telefonische Kontakte sind mitunter erschwert und oftmals sind Aufenthaltsort des nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten und Kanzleiort des Verteidigers verschieden (vgl. ausdrücklich OLG Jena a.a.O.). Diese vorzunehmende allgemeine Betrachtungsweise führt dazu, dass für eine weitergehende einschränkende Auslegung der Vorschrift kein Raum bleibt.
Entnommen von www.burhoff.de
AGS 4/2014, S. 178