Leitsatz
- Bei der Ermittlung des maßgeblichen Nettoeinkommens der Ehegatten ist auf den Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrags abzustellen. Dies gilt auch für die Wertbemessung der Verbundsache Versorgungsausgleich.
- Auch Sozialleistungen wie das ALG II stellen Einkommen i.S.d. § 43 Abs. 2 FamGKG dar und sind bei der Verfahrenswertbemessung zu berücksichtigen (Anschluss OLG Zweibrücken, 10.1.2011 – 5 WF 178/10, FamRZ 2011, 992).
OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.3.2013 – 9 WF 38/13
1 Sachverhalt
Mit einem im September 2011 beim AG Bad eingegangenen Schriftsatz hat die Antragstellerin die Scheidung ihrer Ehe mit dem Antragsgegner beantragt. Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen haben die Eheleute damals mit 364,00 EUR Arbeitslosengeld II (im Folgenden: ALG II) für die Antragstellerin bzw. 1.100,00 EUR/netto für den Antragsgegner angegeben.
Das AG hat die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich im Einzelnen geregelt. Dabei hat das AG die zur Zeit der mündlichen Verhandlung (August 2012) waltenden veränderten Einkommensverhältnisse zugrunde gelegt, die von ALG-I- (i.H.v. 676,00 EUR) und ALG-II-Bezügen geprägt waren. Das ALG II hat das AG dabei unberücksichtigt gelassen und deshalb für die Ehescheidung 2.028,00 EUR (3 Monate x 676,00 EUR) und für den Versorgungsausgleich den Mindestwert von 1.000,00 EUR als Gegenstandswerte festgesetzt.
Gegen die Wertfestsetzung haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners Beschwerde mit dem Ziel der Anhebung des Verfahrenswertes aufgrund der Berücksichtigung auch der ALG-II-Bezüge eingelegt. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
2 Aus den Gründen
Die von der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners im eigenen Namen eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§ 32 Abs. 2 S. 1 RVG, §§ 57, 59 Abs. 1 FamGKG), insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und der Beschwerdewert erreicht.
Die Beschwerde hat auch Erfolg. Das AG hat die Verfahrenswerte unzutreffend berechnet.
1. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das AG nicht den Rechtszustand bei Anhängigkeit des Verfahrens, der aber für die Bestimmung der Werte gem. § 43 Abs. 2 FamGKG bzw. § 50 Abs. 1 FamGKG maßgebend ist, zugrunde gelegt hat. Bei der Ermittlung des maßgeblichen Nettoeinkommens der Ehegatten ist auf den Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages abzustellen, vgl. § 34 S. 1 FamGKG. Dies gilt auch für die Wertbemessung der Verbundsache Versorgungsausgleich, wenngleich für den im Zwangsverbund mit der Ehescheidung stehenden Wertausgleich bei der Scheidung kein Antrag erforderlich ist, § 137 Abs. 2 S. 2 FamFG (vgl. auch OLG Nürnberg FamRZ 2011, 995).
Das AG hat dagegen offenbar die veränderten Zustände zur Zeit der mündlichen Verhandlung, jedenfalls soweit dies den Antragsgegner betrifft, erfasst. Maßgeblich bleibt jedoch immer das Einkommen bei Antragstellung. Eine im Laufe des Verfahrens eintretende Verringerung oder Erhöhung des Einkommens hat keine Auswirkung auf die Festsetzung des erstinstanzlichen Gegenstandswertes (T. Schmidt, in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012, Kostenrechtl. Hinw. in Familiensachen – Teil 2 Rn 10).
2. Bei Einreichung des Scheidungsantrags ist zunächst auf Seiten des Antragsgegners noch ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit von monatlich netto 1.100,00 EUR feststellbar.
Darüber hinaus sind Einkünfte der Antragstellerin von 364,00 EUR monatlich aus dem ALG II zu berücksichtigen. Soweit insoweit umstritten ist, ob Transferleistungen, wie beispielsweise das im SGB II geregelte ALG II, Einkommen i.S.d. § 43 Abs. 2 FamGKG darstellen, vertritt der Senat in ständiger Rspr. die Auffassung, dass auch solche Sozialleistungen bei der Verfahrenswertbemessung zu berücksichtigen sind (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2011, 1423). Daran ist auch weiterhin festzuhalten. Sinn und Zweck der gesetzlichen Verfahrenswertregelung für Ehesachen ist es, entsprechend der besseren oder schlechteren finanziellen Situation der Beteiligten, die sich in der Höhe ihres Einkommens und ihres Vermögens ausdrückt, den Verfahrenswert und danach die Höhe der Gerichts- und Anwaltsgebühren zu bemessen (vgl. BVerfGE 80, 103 ff.). Leistungen nach dem SGB II werden zwar gerade deshalb geleistet, weil die finanzielle Situation der betreffenden Person schlecht ist, sie insbesondere kein ausreichendes eigenes Einkommen erzielt. Gleichwohl beeinflussen solche Sozialleistungen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten unabhängig von der Zweckbestimmung der Leistung. Bei der Wertbemessung nach § 43 FamGKG kommt es aber allein auf das zur Verfügung stehende laufende Familieneinkommen, nicht aber auf die Frage an, aus welcher Quelle dies herrührt oder ob dieses gar aus familien- bzw. unterhaltsrechtlicher Sicht anzurechnendes Einkommen darstellt. Es kann sich um Einkommen aus einer Tätigkeit im Niedriglohnbereich handeln, das gerade dem Existenzminimum entspricht oder um einen entsprechenden Betrag aus Sozialleistungen. Deshalb stellen auch Sozialleistungen Einkommen i.S.d. § 43 Abs. 1 FamGKG dar (so auch OLG Zweibrücken FamRZ 2011, 992 m.w.Nachw.). Al...