Leitsatz
Der Streitwert des Aufhebungsverfahrens nach § 927 ZPO entspricht in der Regel dem Wert des Anordnungsverfahrens. Etwas anderes gilt dann, wenn die Parteien nur noch um den formalen Fortbestand der einstweiligen Verfügung streiten; von Letzterem kann jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn der Antragsteller erklärt, aus dem Verfügungstitel noch vollstrecken zu wollen.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.1.2014 – 6 W 106/13
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin hatte eine Beschlussverfügung des LG erwirkt, mit der der Antragsgegnerin untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr zugunsten fremder Unternehmen, die nicht gem. § 6 Abs. 2 ElektroG als Hersteller registriert sind, ihre eigene Herstellerregistrierungsnummer zur Nutzung zu überlassen und entsprechende Geräte von dritten Unternehmen auszuliefern. Den Streitwert für das Anordnungsverfahren hat das OLG auf 35.000,00 EUR festgesetzt.
Die einstweilige Verfügung ist der Antragsgegnerin am 7.6.2013 zugestellt worden. Sie hat am 17.6.2013 eine Unterlassungserklärung abgegeben und die Antragstellerin aufgefordert, bis zum 9.7.2013 auf den Titel zu verzichten und die entwerteten Titel herauszugeben.
Die Antragsgegnerin hat am 9.7.2013 beim LG im Hinblick auf die Unterlassungserklärung die Aufhebung der einstweiligen Verfügung beantragt. Dem hat sich die Antragstellerin widersetzt, weil sie die Erklärung nicht für ausreichend angesehen hat, und sie hat am 16.7.2013 einen Antrag auf Verhängung von Ordnungsgeld gestellt. Nachdem das LG darauf hingewiesen hat, dass es die Unterlassungserklärung für ausreichend hielt, hat die Antragstellerin am 24.7.2013 auf den Titel verzichtet und den Titel herausgegeben. Beide Parteien haben das Eilverfahren daraufhin für erledigt erklärt. Die Kosten des Aufhebungsverfahrens sind der Antragstellerin auferlegt worden.
Das LG hat den Streitwert für das Aufhebungsverfahren zunächst auf 12.500,00 EUR festgesetzt. Dagegen hat die Antragstellerin und haben die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin im eigenen Namen Beschwerde eingelegt. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das LG den Streitwert für das Aufhebungsverfahren auf 8.750,00 EUR reduziert und zur Begründung ausgeführt, das maßgebliche Interesse der Parteien sei mit einem Viertel des vom Senat für das Anordnungsverfahren festgesetzten Werts von 35.000,00 EUR anzusetzen. Dagegen haben die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin in deren Namen "gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.10." sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf das bereits zuvor eingelegte Rechtsmittel verwiesen.
Die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin sind der Ansicht, für das Aufhebungsverfahren dürfe kein Abschlag auf den Streitwert des Anordnungsverfahrens gemacht werden. Das wirtschaftliche Interesse der Antragsgegnerin an der Aufhebung bleibe nicht hinter dem Interesse der Antragstellerin an der Anordnung zurück, denn es habe die Inanspruchnahme aus dem bestehenden Titel gedroht, obgleich die Antragstellerin durch das Unterlassungsversprechen hinreichend gesichert gewesen sei.
Die Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat, hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der Streitwert des Aufhebungsverfahrens bemisst sich nach dem Wert, den der aufzuhebende Titel bei Einreichung des Aufhebungsantrags noch hat (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 30. Aufl., Rn 16 zu § 3, Stichwort: Einstweilige Verfügung m. w. Nachw.). In der Regel entspricht der Streitwert des Verfahrens, das die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände zum Gegenstand hat, dem des Anordnungsverfahrens (KG v. 24.3.2010 – 8 W 10/10). Eine Herabsetzung des Streitwerts kommt nur dann in Betracht, wenn die Parteien lediglich über den formalen Fortbestand der einstweiligen Verfügung oder nur über die formale Aufhebung streiten (KG a.a.O. m. w. Nachw.).
Letzteres war hier allerdings bis zu der durch den Hinweis des LG motivierten Erledigungserklärung der Antragstellerin nicht der Fall. Sie hat sich nämlich zuvor auf den Standpunkt gestellt, die Unterlassungserklärung der Antragsgegnerin sei nicht ausreichend und sie hat dementsprechend auch aus dem Unterlassungstitel vollstrecken wollen. Bis zum Zeitpunkt der Erledigung ist somit eine Minderung des Streitwerts nicht eingetreten, denn er hat für die Antragstellerin das ursprüngliche Interesse behalten und die Antragsgegnerin musste mit entsprechenden Vollstreckungsmaßnahmen rechnen (vgl. dazu auch OLG Saarbrücken v. 4.3.2010 – 5 W 12/10).
AGS 4/2014, S. 184