Eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV für den ersten Rechtszug vor dem AG ist für den Pflichtverteidiger B angefallen.
1. Rechtsanwalt B ist dem Angeklagten mit Beschluss des AG als weiterer Pflichtverteidiger neben Rechtsanwalt A bestellt worden, da Letzterer an der Wahrnehmung des für den 4.6.2013 angesetzten Hauptverhandlungstermins gehindert war.
In Rspr. und Lit. ist umstritten, ob der wegen der Abwesenheit des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin beigeordnete Verteidiger als Vergütung für seine Tätigkeit als so genannter "Terminsvertreter" nur die Terminsgebühren erhält, weil er lediglich als Vertreter des die Verteidigung insgesamt führenden Pflichtverteidigers beigeordnet worden ist, oder ob diesem weiteren Pflichtverteidiger eine (volle) Vergütung nach Abschnitt 1 des Teils 4 des Vergütungsverzeichnisses zusteht (zum Meinungsstand vgl. OLG Karlsruhe NJW 2008, 2935 [= AGS 2008, 488]).
Der Senat folgt in ständiger Rspr. (Senatsbeschl. v. 23.10.2008 – 4 Ws 140/08) der Auffassung des OLG Karlsruhe (a.a.O.) und des OLG Hamm (Beschl. v. 23.3.2006 – 3 Ws 586/05 [= AGS 2007, 37]), wonach sich der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin als Verteidiger beigeordnet worden ist, nicht auf die Terminsgebühren beschränkt, sondern alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 VV umfasst (vgl. auch Burhoff, in: Gerold/Schmidt RVG 18. Aufl. Nr. 4100, 4101 VV Rn 5).
Dem anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für die Dauer eines Hauptverhandlungstermins beigeordneten weiteren Verteidiger ist für den in der Beiordnung bezeichneten Verfahrensabschnitt die Verteidigung des Angeklagten ohne jede inhaltliche Beschränkung übertragen. Eine Beiordnung lediglich als Vertreter des bereits bestellten Pflichtverteidigers dergestalt, dass der Beigeordnete gleichsam als Hilfsperson des eigentlichen Pflichtverteidigers in dessen Beiordnungsverhältnis mit einbezogen wird, kennt die StPO nicht. Deren Zulässigkeit lässt sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen ableiten. Durch die Beiordnung als Verteidiger für einen Terminstag anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers wird vielmehr ein eigenständiges, öffentlich-rechtliches Beiordnungsverhältnis begründet, aufgrund dessen der bestellte Verteidiger während der Dauer der Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat. Aus der Eigenständigkeit der jeweiligen Beiordnungsverhältnisse folgt zugleich, dass die anwaltlichen Tätigkeiten der jeweiligen Pflichtverteidiger auch hinsichtlich ihrer Vergütung gesondert zu bewerten sind. Da der wegen der Abwesenheit des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin beigeordnete (weitere) Verteidiger umfassend mit der Wahrnehmung der Verteidigerrechte und -pflichten betraut war, kommt – unbeschadet der zeitlichen Begrenzung der Beiordnung – eine gebührenrechtliche Einstufung der in der Hauptverhandlung entfalteten Tätigkeit als Einzeltätigkeit i.S.d. Teils 4 Abschnitt 3 VV nicht in Betracht. Die Vergütung beurteilt sich vielmehr nach den für den Verteidiger geltenden Bestimmungen in Teil 4 Abschnitt 1 VV und bemisst sich im Einzelfall nach den durch die anwaltliche Tätigkeit konkret verwirklichten Gebührentatbeständen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.).
2. Voraussetzung für das Entstehen der gerichtlichen Verfahrensgebühr ist, dass der Pflichtverteidiger eine Tätigkeit nach Eingang der Anklageschrift bei Gericht erbringt. Sie setzt nach der Vorbem. zu Teil 4 Abs. 2 VV ein Betreiben des Geschäftes einschließlich der Information voraus. Abgegolten wird durch die Verfahrensgebühr die gesamte Tätigkeit des Pflichtverteidigers im Strafverfahren des ersten Rechtszuges vor dem AG nach Abschluss des vorbereitenden Verfahrens. Ausgenommen sind Tätigkeiten, für die besondere Gebühren vorgesehen sind, wie z.B. die Grundgebühr Nr. 4100 VV und die Terminsgebühr für die Hauptverhandlung 4108 VV (Gerold/Schmidt RVG 21. Aufl. Nr. 4106 VV Rn 7).
a) Die Grundgebühr entsteht nach dem gesetzlichen Wortlaut Nr. 4100 Abs. 1 VV neben der Verfahrensgebühr für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt sie erfolgt. Mit der Grundgebühr wird somit der erstmalige Arbeitsaufwand abgegolten, der mit der Übernahme des Mandats entsteht (Gerold/Schmidt a.a.O. Nr. 4100 VV Rn 1), somit nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1971 S. 222 zu Nr. 4100 VV) das erste Gespräch mit dem Mandanten und die Beschaffung der erforderlichen Informationen. Spätere sich anschließende Gespräche, die z.B. dem konkreten Aufbau der Verteidigungsstrategie dienen, werden nicht mehr von der Grundgebühr, sondern von der neben der Grundgebühr entstehenden Verfahrensgebühr umfasst (Gerold/Schmidt a.a.O. Nr. 4100 VV Rn 10). Erfasst wird von der Grundgebühr auch die erste Beschaffung der Informationen, d.h. alle Tätigk...