Leitsatz
Ein Ersatzanspruch aus § 5 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 JVEG kommt nicht in Betracht, wenn der Betroffene (auch von seinem Prozessbevollmächtigten) unentgeltlich in einem Kraftfahrzeug mitgenommen wird; dann scheidet der Fahrtkostenersatz grundsätzlich aus. Ein Anspruch auf Fahrtkostenersatz ergibt sich auch nicht daraus, dass der Betroffene seinem Prozessbevollmächtigten die Fahrtkosten nach Nr. 7003 RVG-VV zu erstatten hat.
LSG Thüringen, Beschl. v. 24.9.2015 – L 6 SF 1100/15 E
1 Sachverhalt
Mit Verfügung hatte der Berichterstatter des LSG den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer zum Erörterungstermin geladen und sein persönliches Erscheinen angeordnet. In diesem Termin ist die Beschwerde zurückgenommen worden.
Daraufhin beantragte der Erinnerungsführer "Zeugenentschädigung". Er gab an, nach dem Routenplaner betrage die kürzeste Fahrtstrecke 51,2 Kilometer. Er sei als Beifahrer in einem Pkw mitgefahren. Einen Verdienstausfall mache er nicht geltend. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die Entschädigung auf 0,00 EUR fest und führte zur Begründung aus, dem Erinnerungsführer seien keine Kosten entstanden. Er sei als Beifahrer wahrscheinlich mit seinem Prozessbevollmächtigten unterwegs gewesen und habe keinen Verdienstausfall.
Dagegen hat der Erinnerungsführer die gerichtliche Festsetzung beantragt und vorgetragen, er sei tatsächlich Beifahrer bei seinem bevollmächtigten Rechtsanwalt gewesen. Er müsse dessen Kosten tragen, denn er sei Kostenschuldner im Mandatsverhältnis nach dem RVG. Nach einer Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 10.4.2007 – 15 W 108/06 könne der Berechtigte bei einer Mitnahme im Kraftfahrzeug eines Dritten Ersatz nach JVEG bis zu der in § 11 Abs. 2 Nr. 1 JVEG genannten Höhe verlangen. Nach Nr. 7003 VV habe der Rechtsanwalt Anspruch auf 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer. Aufgrund eines weiteren Termins des Prozessbevollmächtigten am gleichen Tag bestehe ein Anspruch auf 50 v.H. der gefahrenen Kilometer multipliziert mit 0,30 EUR. Der Erinnerungsgegner hat eingewandt, dem Prozessbevollmächtigten seien durch die Mitnahme keine höheren Kosten entstanden. Bei der Vergütung nebst Reisekosten an den Prozessbevollmächtigten handle es sich um außergerichtliche Kosten, die der Erinnerungsführer nicht nach § 191 SGG verlangen könne.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die Entschädigung des Erinnerungsführers wird auf 0,00 EUR festgesetzt.
Nach § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Feststellung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (S. 1). Nach § 191 Hs. 1 SGG werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 S. 1 JVEG als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 7 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt (S. 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn insgesamt mehr als 30 Minuten auf die Heranziehung entfallen, anderenfalls beträgt die Entschädigung die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags (S. 2).
Die beantragten Fahrtkosten sind dem Erinnerungsführer nicht zu erstatten. Als Anspruchsgrundlage kommt nur § 191 Abs. 1 SGG i.V.m. § 5 Abs. 2 JVEG in Betracht. Nach § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG werden dem Beteiligten bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs zur Abgeltung der Betriebskosten sowie der Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen, insbesondere der Parkentgelte. Nachdem der Beschwerdeführer weder ein eigenes noch ein unentgeltlich zur Nutzung überlassenes Fahrzeug gefahren hat, scheidet diese Alternative aus. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 5 Abs. 2 S. 3, 1. Hs. JVEG. Danach werden bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs, das nicht zu den Fahrzeugen nach Abs. 1 (= öffentlich regelmäßig verkehrende Beförderungsmittel) oder S. 1 Abs. 2 S. 1 JVEG zählt, die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der nach S. 1 genannten Fahrtkosten ersetzt. Erforderlich ist damit immer, dass tatsächlich Auslagen entstanden sind (vgl. Hartmann, in: KostG, 43. Aufl. 2013, § 5 JVEG Rn 14). Ein Ersatzanspruch kommt dagegen nicht in Betracht, wenn – wie hier – der Betroffene (auch von seinem Prozessbevollmäc...