Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Entschädigung eines Beteiligten. Fahrtkostenersatz. gemeinsame Anreise mit Pkw des Prozessbevollmächtigten
Leitsatz (amtlich)
Ein Ersatzanspruch aus § 5 Abs 2 S 3 Halbs 1 JVEG kommt nicht in Betracht, wenn der Betroffene (auch von seinem Prozessbevollmächtigten) unentgeltlich in einem Kraftfahrzeug mitgenommen wird; dann scheidet der Fahrtkostenersatz grundsätzlich aus.
Orientierungssatz
Ein Anspruch auf Fahrtkostenersatz ergibt sich auch nicht daraus, dass der Betroffene seinem Prozessbevollmächtigten die Fahrtkosten nach Nr 7003 RVG-VV zu erstatten hat.
Normenkette
JVEG § 5 Abs. 2 S. 3 HS 1, § 19 Abs. 1 S. 1; SGG § 191 Abs. 1
Tenor
Die Entschädigung des Erinnerungsführers anlässlich des Erörterungstermins vom 15. April 2015 wird auf 0,00 Euro festgesetzt.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Mit Verfügung vom 2. April 2015 lud der Berichterstatter des 7. Senats des Thüringer Landessozialgerichts den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer zum Erörterungstermin am 15. April 2015 um 14:00 Uhr und ordnete sein persönliches Erscheinen an. Nach der Niederschrift nahm der Prozessbevollmächtigte dort die Beschwerde zurück.
Am 9. Juli 2015 beantragte der Erinnerungsführer “Zeugenentschädigung„. Er gab an, nach dem … Routenplaner betrage die kürzeste Fahrtstrecke J. - E. 51,2 Kilometer. Er sei als Beifahrer in einem PKW mitgefahren. Einen Verdienstausfall mache er nicht geltend. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte unter dem 10. Juli 2015 die Entschädigung auf 0,00 Euro fest und führte zur Begründung aus, dem Erinnerungsführer seien keine Kosten entstanden. Er sei als Beifahrer wahrscheinlich mit seinem Prozessbevollmächtigten unterwegs gewesen und habe keinen Verdienstausfall.
Unter dem 30. Juli 2015 hat der Erinnerungsführer die gerichtliche Festsetzung beantragt und vorgetragen, er sei tatsächlich Beifahrer bei seinem bevollmächtigten Rechtsanwalt gewesen. Er müsse dessen Kosten tragen, denn er sei Kostenschuldner im Mandatsverhältnis nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Nach einer Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 10. April 2007 - 15 W 108/06 könne der Berechtigte bei einer Mitnahme im Kraftfahrzeug eines Dritten Ersatz nach § 5 Abs. 2 S. 3 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) bis zu der in § 11 Abs. 2 Nr. 1 JVEG genannten Höhe verlangen. Nach Nr. 7003 VV-RVG habe der Rechtsanwalt Anspruch auf 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer. Aufgrund eines weiteren Termins des Prozessbevollmächtigten am gleichen Tag bestehe ein Anspruch auf 50 v.H. der gefahrenen Kilometer multipliziert mit 0,30 Euro. Der Erinnerungsgegner hat eingewandt, dem Prozessbevollmächtigten seien durch die Mitnahme keine höheren Kosten entstanden. Bei der Vergütung nebst Reisekosten an den Prozessbevollmächtigten handle es sich um außergerichtliche Kosten, die der Erinnerungsführer nicht nach § 191 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verlangen könne.
Die UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 17. August 2015) und sie dem Senat vorgelegt.
II.
Zuständig für die Entscheidung ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 6. Senats der Senatsvorsitzende.
Die Entschädigung des Erinnerungsführers wird auf 0,00 Euro festgesetzt.
Nach § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Feststellung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (Satz 1). Nach § 191 Halbs. 1 SGG werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 S. 1 JVEG als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 7 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn insgesamt mehr als 30 Minuten auf die Heranziehung entfallen, anderenfalls beträgt die Entschädigung die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags (Satz 2).
Die beantragten Fahrtkosten sind dem Erinnerungsführer nicht zu erstatten. Als Anspruchsgrundlage kommt nur § 191 Albs. 1 SGG i.V.m. § 5 Abs. 2 JVEG in Betracht. Nach § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG werden dem Beteiligten bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs zur Abgeltung der Betriebskosten sowie der Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,25 € ...