Leitsatz
Vertritt ein Anwalt in einem Gewaltschutzverfahren mehrere Antragsteller (hier drei Personen), die eine einstweilige Anordnung begehren, liegen drei Verfahrensgegenstände vor, deren Werte nach § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG zu addieren sind.
OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 4.1.2016 – 5 WF 299/15
1 Sachverhalt
Der Anwalt hatte für die Ehefrau und deren beide Kinder gegen den Ehemann und Kindesvater im selben Verfahren den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 1 GewSchG beantragt. Das Gericht hat den Verfahrenswert nach §§ 49 Abs. 1, 41 S. 2 FamGKG auf 1.000,00 EUR festgesetzt. Hiergegen hat der Verfahrensbevollmächtige der Antragsteller Beschwerde erhoben.
2 Aus den Gründen
Die nach § 32 Abs. 2 RVG i.V.m. § 57 Abs. 2 FamGKG zulässige Beschwerde gegen die Wertfestsetzung im ersten Rechtszug hat in der Sache Erfolg.
Da sich in Gewaltschutzverfahren die Gerichtsgebühren gem. § 49 Abs. 1 FamGKG nach dem Wert richten, bestimmt sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG nach den entsprechenden Bestimmungen des FamGKG.
Das AG hat bei seiner Wertbestimmung nach §§ 41, 49 Abs. 1 FamGKG übersehen, dass auf der Antragstellerseite insgesamt drei Personen einstweilige Anordnungen nach § 1 GewSchG begehrt haben. Gem. § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG werden die Werte mehrerer Verfahrensgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. Eine Wertaddition ist insbesondere auch dann anzunehmen, wenn auf Antragstellerseite ein Fall der subjektiven Antragshäufung vorliegt und die mehreren Antragsteller nicht als Gesamtgläubiger ihren Anspruch geltend machen (BeckOK-Streitwert/Dürbeck, "Antragshäufung subjektiv" Rn 3). Da dies hier unzweifelhaft der Fall ist, sind die Einzelwerte von jeweils 1.000,00 EUR zu addieren, so dass der Verfahrenswert gem. §§ 41, 49 Abs. 1, 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG insgesamt 3.000,00 EUR beträgt.
Unerheblich ist, dass der Antrag des Antragstellers zu 2) in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen worden ist, da sich der Zeitpunkt der Wertberechnung nach § 34 S. 1 FamGKG nach der ersten Antragstellung beurteilt.
3 Anmerkung
Die vom OLG zutreffend vorgenommene Wertfestsetzung bereitet vielen Gerichten Schwierigkeiten, weil die Differenzierung, ob derselbe Gegenstand oder verschiedene Gegenstände vorliegen, nicht immer einfach zu treffen ist. Das Gericht muss – insoweit verschiedene Beteiligte im gerichtlichen Verfahren Ansprüche geltend machen – daher stets prüfen, ob in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug mehrere Verfahrensgegenstände vorliegen oder nur ein einzelner Verfahrensgegenstand zu bewerten ist. Liegen mehrere Verfahrensgegenstände vor, so ist nach § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG von Amts wegen zu addieren.
Aus Anwaltssicht stellt sich die Vorgehensweise bei der Abrechnung der Vergütung bei mehreren Auftraggebern dann wie folgt dar: Wird der Anwalt für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit tätig, kann er seine Gebühren und Auslagen grundsätzlich nur einmal verlangen. Die Gebühren und Auslagen decken gemäß § 15 Abs. 1 RVG seine gesamte Tätigkeit für mehrere Auftraggeber ab.
Ist der Anwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig geworden und ist nach Wertgebühren abzurechnen, wird ein hierdurch entstehender Mehraufwand aber vergütet.
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Entweder wird die Verfahrensgebühr (gegebenenfalls auch die Geschäftsgebühr) infolge des Mehraufwands nach Nr. 1008 VV erhöht |
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oder die Werte der jeweils die einzelnen Auftraggeber betreffenden Gegenstände werden gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG addiert. |
Um erfassen zu können, ob eine zutreffende gerichtliche Wertfestsetzung vorliegt, muss der Anwalt in diesen Fallkonstellationen deshalb stets prüfen, ob er für die jeweiligen Auftraggeber wegen verschiedener Gegenstände oder wegen desselben Gegenstands tätig geworden ist:
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Ist der Anwalt für die einzelnen Auftraggeber wegen verschiedener Gegenstände tätig geworden, werden die Werte der einzelnen Gegenstände nach § 33 Abs. 1 FamGKG addiert; eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV scheidet dann aus. |
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Ist der Anwalt wegen desselben Gegenstands tätig geworden, dann bleibt es wegen wirtschaftlicher Identität beim einfachen Wert. Es werden aber Geschäfts- und Verfahrensgebühr um 0,3 je weiterer Auftraggeber, höchstens um 2,0 erhöht. |
Beispiel
Der Anwalt wird von Eheleuten als Gesamtschuldner mit der Abwehr einer Forderung der Großmutter i.H.v. 10.000,00 EUR im gerichtlichen Verfahren beauftragt.
Es liegt derselbe Gegenstand zugrunde. Der Anwalt erhält eine um 0,3 erhöhte Geschäftsgebühr aus 10.000,00 EUR.
1. |
1,6-Geschäftsgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV (Wert: 10.000,00 EUR) |
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892,80 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
912,80 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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173,43 EUR |
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Gesamt |
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1.086,23 EUR |
Beispiel
Der Anwalt wird von zwei Unterhaltsberechtigten beauftragt, Unterhaltsansprüche in Höhe von jeweils monatlich 430,00 Euro und 400,00 EUR geltend zu machen.
Es liegen verschiedene Gegenstände zugrunde. Die Wertfestsetzung richtet sich nach §§ 51 Abs. 1 S. 1, 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG. Der Verfah...