StPO §§ 300, 464, 464a; ZPO §§ 103 ff.
Leitsatz
Ein innerhalb der Beschwerdefrist eingegangener Kostenfestsetzungsantrag ist nicht als sofortige Beschwerde gegen eine unterbliebene Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen auszulegen.
LG Arnsberg, Beschl. v. 13.12.2016 – II-2 Qs 90/16
1 Sachverhalt
Durch Urteil des AG wurde der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Neben der Hauptsacheentscheidung entschied das AG, dass die Kosten des Verfahrens der Staatskasse zur Last fallen.
Der Verteidiger beantragte daraufhin, die dem ehemaligen Angeklagten entstandenen Verteidigerkosten gegen die Landeskasse festzusetzen. Das AG wies unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Bezirksrevisors darauf hin, dass dem Kostenfestsetzungsantrag nicht entsprochen werden könne, da das Urteil lediglich eine Entscheidung darüber enthalte, wer die Kosten des Verfahrens, nicht jedoch eine Entscheidung darüber, wer die notwendige Auslagen zu tragen habe. Der Verteidiger stellte daraufhin ausdrücklich klar, dass der Kostenfestsetzungsantrag als sofortige Beschwerde zu sehen sei mit dem Antrag, das Urteil dahingehend abzuändern und zu ergänzen, dass die Staatskasse auch seine entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen habe.
Mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Beschwerde zurückzuweisen, wurde die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Eine Entscheidung der Kammer ist nicht veranlasst.
Zwar ist es zutreffend, dass die notwendigen Auslagen grundsätzlich bei demjenigen verbleiben, dem sie entstanden sind, wenn es an einer ausdrücklichen Auslagenentscheidung in einer das Verfahren abschließenden Entscheidung fehlt und eine nachträgliche Ergänzung der Entscheidung durch das erkennende Gericht unzulässig ist, vielmehr die Ergänzung nur durch die sofortige Beschwerde zu erreichen ist.
Jedoch kann nach Auffassung der Kammer der Kostenfestsetzungsantrag nicht als sofortige Beschwerde gegen die unterbliebene Auslagenentscheidung angesehen werden.
Ob ein innerhalb der Beschwerdefrist eingegangener Kostenfestsetzungsantrag als sofortige Beschwerde gegen eine unterbliebene Auslagenentscheidung auszulegen ist, ist umstritten.
Eine entsprechende Auslegung wurde zum Teil aus Billigkeitsgründen und mit der Begründung bejaht, dass zwar der Kostenfestsetzungsantrag nicht das ausdrückliche Begehren einer Anfechtung der Kostenentscheidung enthalte, es jedoch deutlich zum Ausdruck komme, dass der Antragsteller das Begehren verfolge, auch die notwendigen Auslagen erstattet zu bekommen und er sich mit einer anderen Kostenentscheidung nicht zufrieden geben möchte. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 300 StPO sei der Kostenfestsetzungsantrag deshalb als sofortige Beschwerde auszulegen, da sein Begehren nur so durchsetzbar sei (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 19.5.2005 – 3 Ws 212/05, juris; OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.4.1993 – 1 Ws 110/93, juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.3.1990 – 3 Ws 163/90, juris).
Die Kammer hält jedoch weiterhin an ihrer Auffassung fest, dass eine solche Auslegung nicht möglich ist (vgl. LG Arnsberg, Beschl. v. 9.2.2007 – 2 Qs 18/07; Beschl. v. 2.7.2008 – 2 Qs 11/08). Eine Auslegung oder Umdeutung eines Rechtsmittels nach § 300 StPO kommt immer dann in Betracht, wenn die Bezeichnung des Rechtsmittels fehlt, falsch ist oder unklar bleibt, welches von mehreren Rechtsmitteln eingelegt werden soll (Meyer-Goßner/Schmidt, 58. Aufl. 2015, § 300 Rn 2 f.). Voraussetzung ist aber, dass überhaupt ein Rechtsmittel bezweckt ist. Aus der Eingabe selbst muss sich deshalb ein Anfechtungswille ergeben. Es muss also deutlich werden, dass sich der Erklärende mit einer ihn beschwerenden gerichtlichen Entscheidung nicht abfinden möchte. Maßgebend für die Auslegung ist der Sinngehalt, der sich aus der Gesamtheit der innerhalb der Anfechtungsfrist eingehenden Erklärungen ergibt (KG, Beschl. v. 26.2.2004 – 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190; Meyer-Goßner/Schmidt, 58. Aufl. 2015, § 300 Rn 3). Für die Auslegung des Anfechtungswillens ist im Übrigen die Person des Erklärenden von Bedeutung. Bei Rechtskundigen ist eher als bei Rechtsunkundigen auf den gewählten Wortlaut abzustellen. Einem Rechtsanwalt, der in Strafsachen tätig wird, ist aber bekannt, dass das Festsetzungsverfahren nach § 464b StPO allein die Aufgabe hat, die Höhe der notwendigen Auslagen zu bestimmen, bezüglich derer eine rechtskräftige gerichtliche Grundentscheidung vorliegt, und dass dieses Verfahren nicht dem Zweck dient, unvollständige Grundentscheidungen des erkennenden Gerichts zu korrigieren (KG, Beschl. v. 26.2.2004 – 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190, 190).
Darüber hinaus rechtfertigt sich selbst aus Billigkeitsgründen keine andere Wertung. § 300 StPO bietet keine Handhabe dafür, einen Rechtsanwalt, der übersehen oder verkannt hat, dass die Einlegung eines Rechtsmittels geboten wäre, aus Billigkeitsgründen von den Folgen dieser Säumnis freizustellen (KG, Beschl. v. 26.2.2004 – 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190, 190).
Eine sofortige Beschwerde kann in einem...