Karlsruhe locuta causa finita
Um es – zunächst einmal – recht kurz zu machen:
Die Entscheidung des BGH ist nicht wirklich überraschend, nachdem bereits drei Oberlandesgerichte übereinstimmend festgestellt hatten, dass der Entwurf eines Testaments oder eines einseitigen Schreibens die Geschäftsgebühr nicht auslöse, sondern über § 34 RVG zu honorieren sei. Nachdem dann auch der Gebührenpapst Norbert Schneider seine frühere Auffassung aufgegeben und sich unter Berücksichtigung des damaligen Gesetzgebungsverfahrens in der 8. Aufl. des Anwaltskommentars der "Gegenseite" und der Literaturmindermeinung angeschlossen hatte, war es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis der BGH für Rechtssicherheit, wenngleich sicherlich nicht überall für Zufriedenheit unter der Anwaltschaft sorgen würde.
Ganz ohne Widersprüche gelangt der BGH allerdings nicht zu seinem Ergebnis, wenn man genauer hinsieht:
So ist beispielsweise im Tatbestand davon die Rede, dass die Kläger eine telefonische Einigung auf ein Honorar i.H.v. insgesamt 1.400,00 EUR zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer mit Übersendung der Rechnung bestätigten, während es in den Entscheidungsgründen dann überraschend heißt, "… nach dem eigenen Vortrag der Kläger" sei eine nachträgliche Einigung der Parteien auf eine bestimmte Vergütung "weder auf den Betrag von 2.400,00 EUR noch auf den Betrag von 1.400,00 EUR zustandegekommen…"
Dies überrascht insoweit, als mit der Darstellung im Tatbestand ja sehr wohl eine Einigung auf 1.400,00 EUR (möglicherweise allenfalls bestritten) zustandegekommen sein soll, die gem. § 34 RVG auch mündlich, also auch telefonisch, einen Zahlungsanspruch in entsprechender Höhe hätte rechtfertigen können.
Von einer Beweisaufnahme ist jedenfalls nichts vorzufinden.
Noch überraschender ist es, wenn der BGH zunächst § 118 Abs. 1 BRAGO – völlig zutreffend – dahingehend zitiert, dass der Rechtsanwalt früher eine Geschäftsgebühr – u.a. – für das Entwerfen von Urkunden erhielt.
Wenig später heißt es dann umgekehrt und hier beginnt die Überraschung:
"… dass allein der Entwurf einer Urkunde stets eine Geschäftsgebühr auslösen sollte, war aus ihr nicht abzuleiten." Und deshalb könne man auch nicht argumentieren, dass die Begründung zum Entwurf des RVG keinen Willen erkennen lasse, die bisherige Rechtslage in diesem Punkt zu ändern.
Dies ist weder logisch nachvollziehbar, noch dürfte es zutreffend sein; jedenfalls hieß es seinerzeit aus dem Justizministerium, dass man die Rechtslage in § 118 BRAGO gerade habe ändern wollen und dies sei auch zum Ausdruck gekommen, indem man in der Vorbem. 2.3 VV lediglich von der "Mitwirkung bei der Gestaltung von Verträgen" gesprochen habe.
Wie dem auch sei, die hier aufgezeigten Ungereimtheiten ändern nichts daran, dass spätestens jetzt gebührenverhandlungsunwillige Rechtsanwälte in ureigenem Interesse nun wirklich dazu übergehen sollten, der Arbeit an einem Testamentsmandat eine – möglichst schriftlich niedergelegte – Gebührenvereinbarung nach § 34 RVG voranzustellen.
Wie dramatisch solche Versäumnisse sich ansonsten darstellen können, mag die nachfolgende nur teilweise erfundene und mit Bösartigkeiten bespickte Darstellung eines erbrechtlichen Mandates belegen, die sich so oder ähnlich ansonsten jederzeit abspielen kann:
Der rüstige Mitsechziger – wir nennen ihn hier Willi Schlau – dem es in den letzten Jahrzehnten gelungen ist, geschäftsführender Gesellschafter eines wertträchtigen mittelständischen Unternehmens zu werden, möchte – wie man so schön sagt – sein Haus bestellen und firmenerhaltend die Erbfolge unter seinen drei ehelichen und vier nicht-ehelichen Kindern regeln.
Aus hier nicht weiter interessierenden Gründen ist er nicht an einer notariellen Urkunde interessiert, sondern will von der Möglichkeit eines handgeschriebenen Testaments Gebrauch machen, das allerdings rechtssicher gestaltet sein soll.
Also beauftragt er den Hausanwalt, dem er auch eine erbrechtliche Expertise zutraut, mit der Erstellung eines Testaments.
Unser Hausanwalt nimmt das Mandat – nicht zuletzt im Hinblick auf das hier anzutreffende Vermögen von knapp 40 Mio. EUR begeistert an und beschäftigt sich in den nächsten sechs Wochen fast ausschließlich mit der Erstellung von diversen Testamentsentwürfen, die immer wieder auf Wunsch des Mandanten abgeändert und verfeinert werden.
Nachdem den Wünschen des Mandanten letztendlich vollständig entsprochen worden ist, übergibt er die Akte – wie in dieser Kanzlei üblich – zur Abrechnung der Auszubildenden im dritten Lehrjahr, die wir hier einmal Stefanie Clever nennen wollen und die soeben – auf eigene Kosten versteht sich – ein Gebührenseminar besucht hat.
Die Überraschung ist nun groß, als ihm in der Unterschriftenmappe folgende Abrechnung vorgelegt wird:
Erstellung eines Testaments |
|
Gebühr gem. § 34 RVG höchstens |
250,00 EUR |
Zwischensumme netto |
250,00 EUR |
19 % Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV |
47,50 EUR |
zu zahlender Betrag |
297,50 EUR |
Nach Einnahme diverser Beruhigungspillen fordert unser Hausanwalt von se...