Die Bewertung von Anrechten, die nicht auszugleichen sind, bereitet in der Praxis nach wie vor Schwierigkeiten.
Dass bei der Bemessung des Verfahrenswerts für das Versorgungsausgleichsverfahren auch Anrechte zu berücksichtigen sind, wenn das Gericht keinen Ausgleich anordnet oder nur festgestellt hat, dass kein Ausgleich stattfindet, hat sich zwischenzeitlich in der Rspr. durchgesetzt. Auch solche Anrechte müssen bewertet werden, da sie Gegenstand des Verfahrens sind.
Anrechte sind daher auch dann zu bewerten, wenn der Versorgungsausgleich unterbleibt
Auch eine Ermäßigung des Verfahrenswerts nach § 50 Abs. 3 FamGKG kommt insoweit nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass in einer Vielzahl der Fälle weder eine geringere Bedeutung noch geringerer Arbeitsaufwand vorliegen, handelt es sich nicht um Einzelfälle, sondern um Fälle, die regelmäßig auftreten. Eine Herabsetzung des Verfahrenswerts ist aber nur im Einzelfall möglich.
Wie Anrechte zu bewerten sind, bei denen bereits die Auskunft ergibt, dass keine Ehezeitanteile vorhanden sind, ist allerdings nach wie vor umstritten.
Das OLG Frankfurt und das OLG Bamberg wollen diese Anrechte überhaupt nicht bewerten, also mit Null ansetzen. Das OLG Stuttgart ist dagegen der Auffassung, dass auch ein solches Anrecht zu bewerten sei, dass im Anschluss daran aber der Wert für das betreffende Anrecht über die Billigkeitsklausel nach § 50 Abs. 3 FamGKG herabgesetzt werden oder gänzlich unberücksichtigt bleiben könne.
Das KG hatte sich jetzt erstmals mit dem Fall zu befassen, dass ausschließlich Anrechte ohne Ehezeitanteil vorhanden waren, während in den vorgenannten Entscheidungen des OLG Frankfurt, des OLG Brandenburg und des OLG Stuttgart solche Anrechte neben anderen Anrechten auszugleichenden Anrechten bestanden.
Der Auffassung von OLG Frankfurt und OLG Bamberg folgend hätte daher der Wert für die Folgesache Versorgungsausgleich mit Null festgesetzt werden müssen.
Das KG ist dagegen der Auffassung des OLG Stuttgart gefolgt und ist zunächst einmal davon ausgegangen, dass jedes Anrecht zu bewerten sei. Dies ist auch zutreffend. Es entspricht dem gesetzlichen Wortlaut und der Intention des Gesetzgebers, der ausweislich der Gesetzesbegründung jedes Anrecht, und nicht nur jedes auszugleichende Anrecht erfasst wissen wollte. Ausweislich der Begründung zur Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses zum FGG-Reformgesetz (BT-Drucks 16/11903, 61) ist nämlich vorgeschlagen worden, die ursprünglich vorgesehene Formulierung "für jedes auszugleichende Anrecht" in "für jedes Anrecht" zu ändern, wie es dann auch Gesetz geworden ist. Daraus folgt eindeutig, dass es für die Bewertung unerheblich ist, wenn ein Ausgleich nicht stattfindet und welche Gründe dies hat.
Die Auffassung des KG ist auch praxisgerecht, da sie keine starre Regelung vorsieht, sondern es ermöglicht, individuell den Einzelfall zu beurteilen. So ist es durchaus denkbar, dass Streit darüber besteht, ob in der Ehezeit Anwartschaften erworben wurden. Hierzu können ggfs. Sachverständigengutachten einzuholen sein etc. In diesem Fall dürfte eine Herabsetzung nicht in Betracht kommen. Es ist also nicht zwingend, dass immer eine Herabsetzung geboten erscheint.
Das KG hat darüber hinaus eine weitere Streitfrage entschieden, nämlich die, ob der Mindestwert des § 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG herabgesetzt werden kann. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit nicht eindeutig. Einerseits bezieht sich § 50 Abs. 3 FamGKG auf den gesamten § 50 Abs. 1 FamGKG, also auch auf dessen S. 2, der den Mindestwert regelt. Andererseits widerspricht es dem Begriff eines Mindestwertes, diesen unterschreiten zu können, denn dann handelt es sich letztlich doch nicht um einen Mindestwert. Das KG war der Auffassung, dass auch der Mindestwert unterschritten werden könne, ohne dies allerdings ausführlich zu begründen. Das Problem war dem KG jedoch ausweislich der Beschlussgründe bekannt.
Norbert Schneider
AGS 4/2018, S. 186 - 188