Die Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht falsch.
1. Keine Anrechnung
Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr kommt bei Konstellationen wie der vorstehenden nicht in Betracht. Schuldner der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr ist der Zedent. Schuldner der gerichtlichen Verfahrensgebühr ist dagegen der Zessionar. Die Schuld des einen auf die des anderen anzurechnen, hieße Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Zwischen Anwalt und Zedent einerseits und Anwalt und Zessionar andererseits werden zwei verschiedene Anwaltsverträge geschlossen. Eine Anrechnung ist hier nicht möglich. Anders verhält es sich nur dann, wenn der Anwaltsvertrag insgesamt übergeht, etwa im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach einer Erbschaft. Das ist bei einer Forderungsabtretung aber nicht der Fall.
Es bestand auch keine Notwendigkeit, hier systemwidrig eine Anrechnung anzunehmen. Das gewünschte Ergebnis hätte sich ohne Weiteres im Rahmen der Erstattung nach den Grundsätzen des notwendigen Anwaltswechsels lösen lassen. Wechselt eine Partei den Anwalt, so sind die dadurch entstehenden Mehrkosten nur dann erstattungsfähig, wenn sie notwendig waren. Gleiches kann man auf die durch eine Abtretung entstehenden Mehrkosten übertragen. Sie sind nur dann erstattungsfähig, wenn die Abtretung notwendig war.
Notwendig ist die Abtretung nur dann, wenn sie zum einen sachlich geboten war. Das dürfte man hier annehmen, weil der Zedent jetzt als Zeuge benannt werden konnte.
Hinzu kommen muss aber auch, dass eine Abtretung vor Beginn der außergerichtlichen Tätigkeit nicht möglich war. Wäre die Forderung nämlich von Vornherein im Hinblick auf eine mögliche Zeugenbenennung im Rechtsstreit abgetreten worden, wären keine Mehrkosten entstanden. Daran fehlt es hier. Der Zedent hätte vor Beginn der außergerichtlichen Tätigkeit seine Forderung abtreten können. Dann hätte der Zessionar den Anwalt bereits vorgerichtlich beauftragen können, sodass die Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen gewesen wäre.
Die Erstattung einer vollen Verfahrensgebühr ohne hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr hätte also ohne Weiteres mit der fehlenden Notwendigkeit i.S.d. § 91 ZPO begründet werden können. Einer "Beugung" der Anrechnungsvorschriften hätte es nicht bedurft.
2. Anrechnung im Berufungsverfahren
Um zu seinem gewünschten Ergebnis zu kommen, beugt der BGH dann ein zweites Mal das RVG. Er erfindet nämlich eine instanzübergreifende Anrechnung. Er rechnet die Geschäftsgebühr nicht auf die nachfolgende Verfahrensgebühr der ersten Instanz an, sondern auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV, also auf die des der ersten Instanz nachfolgenden Rechtsmittelverfahrens. Dabei wähnt der BGH sich nicht nur im Recht, sondern auch in guter Gesellschaft, namentlich in Gesellschaft des Hessischen FG, des FG Köln u. des Niedersächsischen FG. Dabei übersieht der BGH aber völlig, dass in finanzgerichtlichen Verfahren die Gebühr der Nr. 3200 VV die erstinstanzliche Verfahrensgebühr ist (siehe Vorbem. 3.2.1 Nr. 1 VV). Diese Entscheidungen belegen also gerade nicht die These des BGH, sondern widersprechen ihr. Weder in Rspr. noch in der Lit. ist bislang jemand auf die Idee gekommen, eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr im Rechtsmittelverfahren anzurechnen, wenn der Anwalt auch erstinstanzlich tätig geworden ist.
Der BGH sieht auch gar nicht, welche Büchse der Pandora er damit geöffnet hat. Dazu zwei Beispiele:
Beispiel 1
Der Kläger klagt 10.000,00 EUR nebst einer Geschäftsgebühr daraus ein. Der Beklagte verteidigt sich mit einer die Klageforderungen übersteigenden Hilfsaufrechnung. Das Gericht hält beide Forderungen für begründet und weist demzufolge die Klage im Hinblick auf die Hilfsaufrechnung ab. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben. Der Beklagte legt nunmehr Berufung ein und erstrebt die Abweisung der Klage mit der Begründung, schon die Klageforderung bestehe nicht. Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Nach der Logik des BGH könnte sich der Beklagte hinsichtlich der Kostenfestsetzung für die zweite Instanz auf die Anrechnung der erstinstanzlich titulierten Geschäftsgebühr berufen, was er in erster Instanz mangels Kostenerstattungsanspruchs des Gegners nicht könnte.
Beispiel 2
Der Kläger klagt 10.000,00 EUR nebst einer Geschäftsgebühr daraus ein. Die Klage wird abgewiesen. Dagegen legt er Berufung ein, die er aufgrund neuen Sachvortrags, den er bereits erstinstanzlich hätte vorbringen können, gewinnt. Der Klage wird also in zweiter Instanz stattgegeben. Die Kosten der ersten Instanz trägt der Beklagte; die Kosten des Berufungsverfahrens werden dagegen dem Kläger gem. § 97 Abs. 2 ZPO auferlegt.
Jetzt wäre es am Kläger, sich darauf zu berufen, dass die Anrechung der Geschäftsgebühr im Rechtsmittelverfahren vorzunehmen sei, wo sie ihm nicht wehtun würde.
Zu denken wäre auch an den Fall, dass in erster und in zweiter Instanz unterschiedliche Kostenquoten ausgeworfen werden. Auch dann kann es für beide Parteien entscheidend sein, ob in erste...