BerHG § 2 Abs. 1 RVG VV Nr. 2503
Leitsatz
- Die Erinnerung gegen die Festsetzung der Beratungshilfevergütung ist nicht befristet.
- Weder für die nicht mit einer Begründung versehene Einlegung des Widerspruchs gegen einen Behördenbescheid noch für ein Akteneinsichtsgesuch fällt die Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 VV an.
AG Halle (Saale), Beschl. v. 8.3.2012 – 103 II 4079/10
1 Aus den Gründen
Die Erinnerung ist zulässig gem. § 56 Abs. 1 RVG i.V.m. §§ 11 Abs. 2, 24a RPflG. Da die Landeskasse nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung unbefristet Erinnerung einlegen kann, ist die Erinnerung nicht durch Zeitablauf verwirkt. Auch ein Vertrauensschutz des Rechtsanwalts steht der Zulässigkeit der Erinnerung nicht entgegen. Der Rechtsanwalt musste wegen der unbefristeten Rechtsmittelmöglichkeit der Landeskasse mit einer Abänderung der Vergütungsfestsetzung auch noch nach längerer Zeit rechnen. Insoweit wird auf die Beschlüsse des Gerichts v. 16.1.2012 (103 II 1861/10) u. v. 2.2.2012 (103 II 1822/10) verwiesen.
Die Erinnerung ist auch begründet. Der Rechtspfleger hat zu Unrecht eine Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 VV festgesetzt.
Die Beratung im Rahmen der Beratungshilfe soll grundsätzlich den Unbemittelten in der Lage versetzen soll, selbst tätig zu werden und auf Grundlage der ihm erteilten Rechtsberatung die erforderlichen Schreiben selbst zu fertigen. Eine Geschäftsgebühr (Nr. 2503 VV) kann daher nur bewilligt werden, wenn die Vertretung (in der Regel: Fertigung von Schriftsätzen an den Gegner) erforderlich i.S.d. § 2 Abs. 1 BerHG war. Dies ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu prüfen. Erforderlich ist die Vertretung dann, wenn in dem Schreiben Rechtsausführungen zu machen sind. Bei Ausführungen, die ein Antragsteller auch selbst machen kann (Ausführungen nur zum Sachverhalt, Ratenzahlungsangebote) ist eine Vertretung nicht erforderlich. Die Erforderlichkeit einer Vertretung wird nicht dadurch begründet, dass ein anwaltlicher Schriftsatz beim Gegner größeren Eindruck macht als ein selbstgefertigtes Schreiben. (Beschlüsse des Gerichts v. 4.1.2011 – 103 II 4688/10, u. v. 16.1.2012 a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend keine Geschäftsgebühr bewilligt werden. Das Schreiben des Rechtsanwalts im Rahmen der außergerichtlichen Vertretung enthielt keine Rechtsausführungen, sondern lediglich die nicht mit einer Begründung versehene Einlegung des Widerspruchs und ein Akteneinsichtsgesuch. Den einen Satz "Gegen den Bescheid vom … lege ich Widerspruch ein" hätte der rechtsuchende Bürger nach anwaltlicher Beratung aber auch selbst schreiben können.
Zwar steht es weitgehend im Ermessen des Rechtsanwalts, ob er im Rahmen der außergerichtlichen Vertretung Rechtsausführungen macht, die dann die Erforderlichkeit der Vertretung i.S.d. § 2 Abs. 1 BerHG indizieren. Ob aber solche Rechtsauführungen vorliegen, unterliegt der Kontrolle des Gerichts, wie das Gericht auch sonst stets das Vorliegen von gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zu prüfen hat. Daher reicht es nicht aus, worauf vorsorglich hingewiesen wird, die Erforderlichkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 BerHG anwaltlich zu versichern. Anwaltlich versichert werden können nur Tatsachen, nicht aber rechtliche Bewertungen.
Eine Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 VV wurde auch nicht durch das Akteneinsichtsgesuch ausgelöst. Es fehlt zwar nicht an der Erforderlichkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 BerHG, denn es kann nicht, von extremen Ausnahmefällen abgesehen, der Kontrolle des Gerichts unterliegen, ob der Rechtsanwalt Akteneinsicht benötigt oder nicht. Wohl aber fehlt es an den Voraussetzungen des Nr. 2503 VV.
Eine Geschäftsgebühr entsteht zwar nach dem Wortlaut von Nr. 2503 VV auch schon durch Einholung der Information. Darunter ist aber nach Auffassung des Gerichts nicht der bloß technische Vorgang der Aktenanforderung gemeint, sondern irgendeine Tätigkeit, bei der sich der Rechtsanwalt inhaltlich mit der Sache befasst (etwa schriftliche oder mündliche Kommunikation mit Dritten). Dies folgt daraus, dass alle in Nr. 2503 VV sonst genannten Tätigkeiten (Betreiben des Geschäfts, Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages) eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Sache erfordern und es unangemessen erscheint, für den rein technischen und mit einem Textbaustein oder einem Vordruck zu erledigenden Vorgang der Aktenanforderung eine Geschäftsgebühr zu bewilligen.
Die Lektüre der Akte durch den Rechtsanwalt hingegen kann mangels Außenwirkung die Geschäftsgebühr noch nicht auslösen. Vielmehr dient sie zunächst nur der Vorbereitung der Beratung und ist daher mit der Gebühr gem. Nr. 2501 VV abgegolten.
Für dieses Ergebnis sprechen auch Gerechtigkeitserwägungen: Es wäre unbillig, wenn ein Rechtsanwalt einfach durch ein Schreiben mit dem einen Satz "Ich beantrage Akteneinsicht" auf Kosten des Steuerzahlers statt einer Gebühr von 30,00 EUR (Nr. 2501 VV) eine Gebühr von 70,00 EUR (Nr. 2503 VV) verdienen könnte. Kosten, die ihm durch die Akteneinsicht eventuell entstehen, werden gem. Nr. 7000 VV, auch unabhängig von der Geschäftsgebühr, ohnehin erse...