Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

a) Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Mit der Klage angegriffen ist die Aufrechnungserklärung der Beklagten vom 27.8.2012 und der Widerspruchsbescheid vom 17.9.2012.

Die Anfechtungsklage ist statthaft, weil es sich bei der Aufrechnungserklärung des Beklagten vom 27.8.2012 um einen Verwaltungsakt handelt. Nach § 31 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil mit dem Schreiben vom 27.8.2012 der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X zum Erlöschen gebracht werden soll, also eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen beabsichtigt ist. Damit qualifiziert sich eine Aufrechnungserklärung als Verwaltungsakt, auch wenn die Behörde nicht durch Verwaltungsakt handeln will und die Aufrechnungserklärung daher nicht die Form eines Verwaltungsaktes hat (wie hier auch BSG, Urt. v. 21.7.1988 – 7 RAr 51/86 m.w.Nachw.; Fichte, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl. 2013, § 31 SGB X Rn 12; Luthe, in: jurisPK-SGB X, 2013, § 31 Rn 96; von Rath, DÖV 2010, 180; a.A. unter Hinweise auf ältere verwaltungsgerichtliche Entscheidungen Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 35 Rn 107, und Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2013, § 35 Rn 95; siehe zur Rechtsprechungsentwicklung BSG, Vorlagebeschl. v. 25.2.2010 – B 13 R 76/09 R ff. m.w.Nachw.).

Die Qualifizierung einer Aufrechnungserklärung als Verwaltungsakt entspricht auch dem in jüngerer Zeit dokumentierten Verständnis des Gesetzgebers, der ausdrücklich davon ausgeht, dass Aufrechnungserklärungen von Behörden durch Verwaltungsakt zu erfolgen haben (vgl. § 42a Abs. 2 S. 2, § 43 Abs. 4 S. 1 SGB II). Auch § 24 Abs. 2 Nr. 7 SGB X, wonach bei Aufrechnung gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70,00 EUR von einer Anhörung abgesehen werden kann, streitet für die gleiche Auffassung (so auch Fichte, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl. 2013, § 31 SGB X Rn 12; Franz, in: jurisPK-SGB X, 2013, § 24 Rn 56), da die Norm die Anhörung von Erlass eines Verwaltungsaktes betrifft.

Die hier vertretene Auffassung folgt allerdings nicht zwingend aus der Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 31.8.2011 (GS 2/10). Der Große Senat hat ausdrücklich lediglich entschieden, dass Verrechnungen i.S.v. § 52 SGB I auch durch Verwaltungsakt erfolgen dürfen (Großer Senat, Beschl. v. 31.8.2011 – GS 2/10). Die Entscheidung verhält sich nicht dazu, ob Verrechnungen – oder gar Aufrechnungen – stets Verwaltungsakte darstellen (wie hier Fichte, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl. 2013, § 31 SGB X Rn 12; Franz, in: jurisPK-SGB X, 2013, § 24 Rn 56; anderes Verständnis aber wohl bei Luthe, in: jurisPK-SGB X, 2013, § 31 Rn 96).

b) Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27.8.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.9.2012 ist rechtmäßig.

Das SGB enthält zwar keine allgemeine Regelung der Aufrechnung, denn § 51 SGB I betrifft nur Möglichkeiten der Aufrechnung eines Leistungsträgers gegen Ansprüche auf Geldleistungen i.S.v. §§ 11, 18 bis 29 SGB I, deren tatbestandliche Voraussetzungen hier nicht erfüllt sind. Doch unabhängig davon besteht grundsätzlich die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung, auf die §§ 387 ff. BGB entsprechend anzuwenden sind, entgegenzutreten (BSG, Urt. v. 22.7.2004 – B 3 KR 21/03 R m.w.Nachw.; LSG Hessen, Urt. v. 29.10.2012 – L 9 AS 601/10, m.w.Nachw.). Voraussetzung hierfür, mit dem die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen bewirkt wird, ist gem. § 387 BGB, dass sich zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gegenseitige, gleichartige und fällige bzw. erfüllbare Forderungen gegenüberstehen. Einer weiteren – sozialrechtlichen – Ermächtigungsnorm hierfür bedarf es nicht (BSG, Urt. v. 22.7.2004 – B 3 KR 21/03 R m.w.Nachw.). Die zivilrechtlichen Aufrechnungsnormen stellen exzeptionell eine gewohnheitsrechtliche Ermächtigungsgrundlage dar (a.A. SG Gießen, Urt. v. 14.9.2010 – S 26 AS 823/10). Wenn die zivilrechtlichen Normen als hinreichende Grundlage für eine Aufrechnung als öffentlich-rechtliche Willenserklärung verstanden wurden, muss dies auch gelten, wenn man die Aufrechnungserklärung als Verwaltungsakt auffasst. Denn zum einen unterscheiden sich Inhalt und Wirkung von Aufrechnungserklärung als Realakt und Aufrechnungserklärung durch Verwaltungsakt nicht, und zum anderen sind die Anforderungen an eine gesetzliche Grundlage bei schlichten öffentlich-rechtlichen Handlungen nicht geringer als beim Erlass von Verwaltungsakten.

Die nach § 24 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7 SGB X erforderliche Anhörung ist im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden...

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