Leitsatz
- Die Werbung eines Rechtsanwalts mit kostenloser Erstberatung ist nicht wegen Verstoßes gegen berufsrechtliche Mindestpreisvorschriften (§ 49b Abs. 1 BRAO) wettbewerbswidrig; eine gesetzliche Gebühr für eine außergerichtliche Beratung ist nicht mehr vorgesehen.
- Die Werbung mit kostenloser Erstberatung ist nicht geeignet, andere Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, wenn sie offenkundig darauf gerichtet ist, Mandanten den Einstieg in ein weitergehendes, Kosten auslösendes Mandatsverhältnis zu erleichtern.
LG Essen, Urt. v. 10.10.2013 – 4 O 226/13
1 Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltskanzlei aus Essen, der Beklagte Anwalt aus Hamburg. Beide Parteien sind im Filesharing-Abmahn-Geschäft tätig; die Klägerin überwiegend im Ruhrgebiet und Rheinland, der Beklagte ausdrücklich bundesweit.
Der Beklagte warb mit Google-AdWord-Anzeigen und auf seinen Homepages ... und ... mit einer "kostenlosen Erstberatung" und einer "kostenlosen Ersteinschätzung", zumindest am 29.5.2013 wie folgt:
Filesharing Abmahnung – Soforthilfe bei Abmahnung
www...de/filesharing
Kostenlose Erstberatung, bundesweit
Text auf einer (unklar, auf welcher) der Homepages:
Kostenlose Ersteinschätzung!
Rufen Sie uns jetzt an:
[...]
Oder schreiben Sie uns:
[...]
und
Jetzt kostenlose Ersteinschätzung anfordern!
Am 9.7.2013 warb der Beklagte mit folgender Anzeige bei Google:
Filesharing Abmahnung
www...de/filesharing
Soforthilfe bei Abmahnung
Kostenlose Erstberatung, bundesweit
Die Klägerin mahnte den Beklagten dafür mit Schreiben vom 9.7.2013, dem Beklagten zugegangen am 10.7.2013, dahingehend ab, dass dieser es zu unterlassen habe, mit einer kostenlosen Erstberatung und Ersteinschätzung in Filesharing-Fällen zu werben.
Der Beklagte zeigte hierauf keine Reaktion. Er warb auch in der Folgezeit sowohl unter Google als auch auf seinen Homepages mit "kostenloser Ersteinschätzung".
Die Klägerin ist der Ansicht, die Werbung des Beklagten sei wettbewerbswidrig nach § 4 Nr. 11 UWG, § 49b Abs. 1 BRAO, § 4 Abs. 1 RVG und § 34 Abs. 1 RVG. Es gehe nicht um "kurze" Erstberatungen, die dazu dienten, die Mandanteninteressen zu erfahren, sondern um eine umfangreiche kostenlose Erstberatung. Dies sei anders als zum Beispiel in dem von dem Beklagten angeführten Urteil des AnwG München v. 1.2.2010 – 3 AnwG 51/09, in dem es nur um eine kurze telefonische Erstberatung gegangen sei. Es gehe hier auch nicht – anders als im ebenfalls von dem Beklagten angeführten Beschluss des AnwGH Berlin v. 22.11.2006 – II AGH 40/06, um Hartz-IV-Empfänger, für die wegen der Möglichkeit der Beratungshilfe besondere Regelungen gelten würden.
§ 4 Abs. 1 RVG erlaube die Vereinbarung einer niedrigeren Vergütung als der gesetzlichen, aber nicht, von vornherein gänzlich auf das Honorar zu verzichten.
Nach § 34 Abs. 1 RVG gebe es zwar keine gesetzliche Gebühr mehr für die Erstberatung. Da aber der Anwalt auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken solle und, unterlässt er das, die übliche Vergütung nach § 612 BGB gilt, sei ersichtlich, dass nicht gewollt sei, dass der Anwalt gar keine Vergütung bekommt. Eine "Gebührenvereinbarung aus Null" sei nicht vorgesehen.
Das Verbot einer kostenlosen Erstberatung ergebe sich auch aus dem generellen Verbot einer Erfolgsvereinbarung gem. § 4a Abs. 1 RVG. Hier werde ebenfalls ersichtlich, dass ein Rechtsanwalt generell gerade nicht unentgeltlich arbeiten dürfe.
Er müsse – außer in den Ausnahmefällen des § 4a Abs. 1 RVG – auch im Fall des Unterliegens seines Mandanten eine Vergütung verlangen. Mit einer kostenlosen Erstberatung, die dazu führen kann, dass der Anwalt dem Mandanten zum Anerkenntnis rät, dieser also unterliegt, würde hiergegen verstoßen.
Mit ihrer Klage beantragt die Klägerin, dem Beklagten zu untersagen, als Rechtsanwalt mit einer kostenlosen Erstberatung oder einer kostenlosen Ersteinschätzung zu werben, insbesondere im Zusammenhang mit Filesharing-Fällen.
Der Beklagte ist der Ansicht, ein Rechtsanwalt könne im Rahmen des § 34 RVG auch eine "Null-Gebühr" vereinbaren. Es sei daher nicht wettbewerbswidrig, mit einer kostenlosen Beratung zu werben.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Unterlassen gegen den Beklagten aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. den §§ 4 Nr. 11, 3 UWG, 49b Abs. 1 S. 1 BRAO, 4 Abs. 2 S. 3 RVG.
1. Durch die beanstandete Werbung verstößt der Beklagte nicht gegen eine gesetzliche Vorschrift, welche auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11 UWG).
a) Bei den berufsrechtlichen Mindestpreisvorschriften der BRAO und des RVG handelt es sich um Marktverhaltensregeln i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG (BGH, Urt. v. 30.9.2004 – IZR 281/02).
b) Es liegt jedoch kein Verstoß gegen Mindestpreisvorschriften durch den Beklagten vor.
Gem. § 49b Abs. 1 BRAO ist es unzulässig, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das RVG vorsieht, soweit dieses nichts anderes bestimmt.
Es gibt aber keine bestimmte gesetzliche Gebühr für eine außergerichtliche Beratung (mehr), sodass in di...