Leitsatz
Setzt das Gericht nach sechsmonatigem Ruhen des Verfahrens den Streitwert endgültig fest, so ist dieser Beschluss wieder aufzuheben, wenn das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt wieder fortgesetzt wird.
OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 11.3.2015 – 1 O 43/15
1 Sachverhalt
Das VG hatte, nachdem das Verfahren sechs Monate nicht betrieben wurde, den Streitwert festgesetzt und die Akte sodann weggelegt. Auf Antrag des Klägers wurde das Verfahren später wieder aufgenommen. Daraufhin legte der Prozessvollbevollmächtigte der Klägerin gegen die vorangegangene Streitwertfestsetzung Beschwerde ein und beantragte, diese aufzuheben. Das VG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Das OVG hat die angefochtene Streitwertfestsetzung aufgehoben.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss ist isoliert aufzuheben, weil die Voraussetzungen für eine endgültige Streitwertfestsetzung derzeit nicht gegeben sind.
Der angefochtene Beschluss setzt den Streitwert gem. § 63 Abs. 2 S. 1 GKG endgültig fest, wie sich aus seiner Begründung und aufgrund der beigefügten Rechtsmittelbelehrung (vgl. § 68 Abs. 1 S. 1 GKG) ergibt. Soweit der Beschluss von einer "anderweitigen Erledigung des Verfahrens" i.S.d. § 63 Abs. 2 S. 1 GKG ausgeht, kann dahinstehen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen dies bei einer förmlichen Ruhensanordnung – wie hier durch Beschluss des VG v. 26.6.2013 – der Fall sein kann. Denn die Klägerin hat jedenfalls am 5.2.2015 die Fortsetzung des Verfahrens beantragt, so dass es auf die "statistische Erledigung" des Verfahrens infolge der Ruhensanordnung nicht (mehr) entscheidungserheblich ankommt. Die Vergabe eines neuen erstinstanzlichen Aktenzeichens ist für die Frage der Verfahrensbeendigung i.S.d. § 63 Abs. 2 S. 1 GKG irrelevant, da es insoweit auf die objektive Beendigung des Rechtsstreits ankommt. Letztere ist bisher nicht eingetreten.
3 Anmerkung
Eine endgültige Wertfestsetzung ist erst zulässig nach Beendigung des Verfahrens (§ 63 Abs. 2 GKG). Das Ruhen eines Verfahrens oder dessen Aussetzung ist aber keine Beendigung. Das Verfahren bleibt anhängig, selbst wenn die Akte weggelegt und statistisch als erledigt betrachtet wird. Die Rechtshängigkeit bleibt fortbestehen.
Daher ist in diesem Falle keine endgültige Wertfestsetzung zulässig. Die Vorschrift des § 63 Abs. 2 GKG stellt ausdrücklich auf die Beendigung des Verfahrens ab und nicht auf die Fälligkeit der Gerichtsgebühr. Zwar tritt in den Fällen des § 9 Abs. 2 GKG – insbesondere bei sechsmonatigem Ruhen oder Nichtbetreiben des Verfahrens (§ 9 Abs. 2 S. 3 GKG) – die Fälligkeit der Gerichtsgebühr ein; das Verfahren ist damit aber noch nicht beendet. Daher ist auch in diesen Fällen nur eine vorläufige Wertfestsetzung möglich.
Dies ist auch unproblematisch, weil die Landeskasse ihre jetzt fälligen Gebühren auch nach dem vorläufigen Streitwert erheben kann. Für die Abrechnung der Gerichtsgebühren bedarf es nur der Fälligkeit, nicht aber einer endgültigen Streitwertfestsetzung. Wird der Wert später abgeändert, ergeht ein neuer Kostenansatz. Die Gerichtskasse kann weitere Beträge anfordern bzw. muss überzahlte Beträge zurückerstatten.
Soweit das VG im Ausgangsfall tatsächlich eine endgültige Wertfestsetzung getroffen hat, hätte diese von Anfang an nicht ergehen dürfen und war daher zu Recht auf die Beschwerde hin aufzuheben. Hätte das VG allerdings – wie es zutreffend gewesen wäre – lediglich eine vorläufige Wertfestsetzung getroffen, dann wäre diese unanfechtbar gewesen. Der Wert hätte inzidenter nur im Wege einer Erinnerung gegen den Kostenansatz angegriffen werden können.
Norbert Schneider
AGS 5/2015, S. 233 - 234