Wenn Gerichte in Kostensachen entscheiden, bringen sie schon allerlei Kuriositäten hervor, so auch das OLG Köln (S. 222), das jetzt in ständiger Rechtsprechung das erstinstanzliche Beschwerdegericht erfunden hat.
Bislang war es eigentlich einhellige Auffassung, dass eine Beschwerde ein Rechtsmittel ist und daher zur zweiten oder dritten Instanz gehört. Nicht aber so beim OLG Köln.
Zugrunde lag eine "Beschwerde nach § 335 HGB". Zur Entschuldigung des OLG ist zu erwähnen, dass es tatsächlich "Beschwerde" heißt. Mit diesem Rechtsinstitut wird eine Entscheidung der Verwaltungsbehörde gerichtlich überprüft. Es handelt sich also faktisch nicht um ein Rechtsmittel, sondern um eine erstmalige gerichtliche Überprüfung, also um einen Antrag auf (erstmalige) gerichtliche Entscheidung. Ähnlich verhielt es sich früher mit der sog. "Notarkostenbeschwerde" (§ 156 KostO a.F.), die auch keine war und seit dem 1.9.2009 richtigerweise "Antrag auf gerichtliche Entscheidung" genannt wird (§ 156 KostO n.F.; § 127 GNotKG).
Das OLG Köln ist allerdings anderer Auffassung und sieht die Verwaltungsbehörde als erste Instanz und damit das Landgericht als Rechtsmittelinstanz an. Weil es nun einmal im Gesetz "Beschwerde" heiße, müsse es auch eine solche sein. Dabei wird man unweigerlich an eine Anekdote erinnert, die Abraham Lincoln zugesprochen wird (übrigens auch ein Jurist und Anwalt), der einmal folgende Frage gestellt hat: "Wenn man den Schwanz eines Schafes Bein nennt, wie viel Beine hat dann ein Schaf?" Seine Zuhörer gaben erwartungsgemäß zur Antwort: "Fünf." Er entgegnete darauf, dass ein Schwanz noch lange nicht zum Bein werde, nur weil man ihn so nenne. So verhält es sich auch mit dem OLG Köln. Eine Beschwerde im gebührenrechtlichen Sinne liegt nicht schon dann vor, wenn der Gesetzgeber sie so bezeichnet. Allerdings fragt sich hier auch, wieso der Gesetzgeber das Rechtsinstitut des § 335 HGB als Beschwerde bezeichnet und sie nicht – wie er es bei der Notarkostenbeschwerde bereits getan hat – in einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung umbenennt.
Damit aber noch nicht genug:
Unterstellt man mit dem OLG Köln, bei der "Beschwerde nach § 335 HGB" handele es sich tatsächlich um eine Beschwerde im verfahrensrechtlichen Sinne, dann müsste es sich – davon geht das OLG Köln ja auch aus – bei der Behörde um die erste Instanz handeln. Eine zweite Instanz kann es begrifflich nicht ohne eine erste geben. Dann aber wiederum fragt es sich, wie das Landgericht dann erstinstanzlich über den Kostenfestsetzungsantrag entscheiden konnte. Wenn man die Verwaltungsbehörde als erste Instanz ansieht, dann hätte doch konsequenterweise dort auch der Kostenfestsetzungsantrag gestellt werden müssen und nicht beim Landgericht als Beschwerdegericht.
Eine weitere Konsequenz führt die Rechtsauffassung des OLG Köln ad absurdum. Wenn das Landgericht hier als Beschwerdegericht entschieden hat, dann kann sich – auch in der Kostenfestsetzung – keine weitere Beschwerdezuständigkeit des OLG ergeben. Gegen eine Beschwerdeentscheidung des Landgerichts gibt es nämlich nur noch die Rechtsbeschwerde zum BGH, nicht die weitere Beschwerde zum OLG, es sei denn, diese ist ausdrücklich im Gesetz eröffnet, wie z.B. in § 68 GKG. In der zivilrechtlichen Kostenfestsetzung gibt es aber keine weiteren Beschwerden, sondern nur sofortige Beschwerden und Rechtsbeschwerden, die dem Rechtszug der Hauptsache folgen. Ausgehend von seiner eigenen Rechtsauffassung hätte das OLG daher gar nicht als weiteres "Beschwerdegericht" – also als dritte Instanz – entscheiden dürfen. Auch dies wiederum führt die Rechtsauffassung des OLG ad absurdum. Spätestens hier hätte das OLG eigentlich bemerken müssen, dass etwas nicht stimmt.
Autor: Norbert Schneider
Norbert Schneider
AGS 5/2015, S. II