Leitsatz
BGH, Beschl. v. 6.11.2014 – I ZB 38/14
1 Sachverhalt
I. Die in Freising ansässige Klägerin hat die Beklagte vor dem LG Hannover wegen eines Wettbewerbsverstoßes auf Unterlassung in Anspruch genommen. Mit der Prozessvertretung beauftragte die Klägerin in München ansässige Rechtsanwälte. In dem Gerichtsverfahren kam es nach einem frühen ersten Termin am 16.1.2013, 10.00 Uhr, zu einem weiteren Termin am 27.8.2013, ebenfalls 10.00 Uhr. In beiden Terminen ließ sich die Klägerin durch einen Unterbevollmächtigten vertreten.
Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens hat die Klägerin die Gebühren des Unterbevollmächtigten in Höhe von 1.692,54 EUR gegenüber der zur Kostentragung verpflichteten Beklagten geltend gemacht. Die fiktiven Reisekosten für ihren Hauptbevollmächtigten zu den Terminen in Hannover errechnete die Klägerin auf der Grundlage einer Flugreise zum Tarif "Economy Flex" mit 1.003,52 EUR pro Termin, also 2.007,04 EUR insgesamt.
Das LG hat die von der Beklagten für den Unterbevollmächtigten der Klägerin zu erstattenden Kosten auf 1.266,00 EUR festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf vollständige Erstattung der Gebühren des Unterbevollmächtigten weiter.
II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Klägerin könne Erstattung der Kosten für den Unterbevollmächtigten nur bis zur Grenze der fiktiven Reisekosten ihres Hauptbevollmächtigten zu den Terminen in Hannover verlangen. Für die danach erforderliche Vergleichsrechnung habe das LG zutreffend eine Anreise mit der Bahn in der ersten Klasse zugrunde gelegt. Allein wegen der behaupteten Zeitersparnis stehe dem Hauptbevollmächtigten der Klägerin kein Recht zu, mit dem Flugzeug anzureisen. Außer bei Auslandsreisen könnten Flugkosten nur dann erstattet werden, wenn die Mehrkosten einer Flugreise nicht außer Verhältnis zu den Kosten der Benutzung der Bahn stünden. Im Streitfall überstiegen die Kosten der Flugreise in der Economy Class die Kosten der Bahnreise (einschließlich der erforderlichen Kosten für Übernachtung und An- und Abfahrt sowie Abwesenheitsgeld) um rund 50 %. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht habe die Klägerin auch nicht mit mehr als zwei Terminen in Hannover und entsprechend höheren Reisekosten rechnen müssen.
Da die Kosten der Unterbevollmächtigung von 1.692,54 EUR die fiktiven Reisekosten von 1.308,00 EUR um etwa 29 % überstiegen, seien sie nicht mehr erstattungsfähig. Die Kosten der Unterbevollmächtigung könnten nur erstattet werden, wenn sie die fiktiven Reisekosten um nicht mehr als 10 % überstiegen. Sei die Überschreitung höher, seien nur die fiktiven Reisekosten erstattungsfähig, ohne dass ein Steigerungsbetrag von 10 % zusätzlich zu berücksichtigen sei.
2 Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig.
Die Rechtsbeschwerde ist uneingeschränkt zugelassen. Das Beschwerdegericht hat die Zulassung zwar damit begründet, dass es hinsichtlich der Frage, ob fiktive Reisekosten, die unter den Kosten eines eingeschalteten Unterbevollmächtigten liegen, zu 100 % oder zu 110 % erstattungsfähig sind, von der Rspr. anderer Oberlandesgerichte abweiche. Darin liegt aber keine wirksame Beschränkung der in der Beschlussformel uneingeschränkt zugelassenen Rechtsbeschwerde. Das Begehren der Klägerin ist allein auf die vollständige Erstattung der Kosten des Unterbevollmächtigten gerichtet. Innerhalb dieses einheitlichen Begehrens ist es nicht möglich, die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf eine einzelne Rechtsfrage zu beschränken.
IV. Die Rechtsbeschwerde ist teilweise begründet. Nicht zu beanstanden ist die tatrichterliche Beurteilung, dass im Streitfall nach der maßgeblichen ex-ante-Sicht mit mehr als zwei Gerichtsterminen nicht zu rechnen war. Auch die Nichtberücksichtigung fiktiver Flugkosten durch das Beschwerdegericht hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand (dazu unter IV. 1 und 2). Hingegen hat das Beschwerdegericht zu Unrecht eine Erstattungsfähigkeit der Kosten des Unterbevollmächtigten bis zur Höhe von 110 % der ersparten Reisekosten abgelehnt (dazu unter IV. 3).
1. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalt Termine beim Prozessgericht wahrnimmt, richtet sich nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Nach st. Rspr. des BGH stellen diese Kosten notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO dar, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären (BGH, Beschl. v. 10.7.2012 – VIII ZB 106/11, NJW 2012, 2888 Rn 7 [= AGS 2012, 452]; Beschl. v. 26.2.2014 – XII ZB 499/11, NJW-RR 2014, 763 Rn 8, m.w.Nachw. [= AGS 2014, 202]). Für die danach erforderliche Vergleichsberechnung zwischen den fik...