Leitsatz
Das Verfahren nach Zurückverweisung ist auch in Strafsachen eine neue Angelegenheit mit der Folge, dass die gerichtliche Verfahrensgebühr noch einmal entstehen kann.
AG Wernigerode, Beschl. v. 30.1.2015 – 7 Ds 835 Js 81311/12
1 Sachverhalt
Das OLG hatte das Urteil des AG mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des AG zurückverwiesen.
Daraufhin beantragte der Rechtsanwalt die Festsetzung seiner Pflichtverteidigervergütung für das Verfahren nach Zurückverweisung. Das AG hat die Pflichtverteidigervergütung festgesetzt und hierbei die geltend gemachte Verfahrensgebühr gem. Nr. 4106 VV und die Postenentgeltpauschale gem. Nr. 7002 VV mit der Begründung abgesetzt, dass diese bereits mit der Festsetzung des Verfahrens vor der Zurückverweisung gezahlt worden seien. Hiergegen wendet sich der Rechtsanwalt mit seiner Erinnerung, die Erfolg hatte.
2 Aus den Gründen
Der Rechtsanwalt kann gem. § 15 Abs. 2 RVG die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.
Gem. § 21 Abs. 1 RVG ist, soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, das weitere Verfahren vor diesem Gericht ein neue Rechtszug. Gem. § 17 Nr. 1 RVG sind verschiedene Rechtszüge verschiedene Angelegenheiten. Mithin kann der Rechtsanwalt für das Verfahren nach Zurückverweisung die Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV und auch die Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV noch einmal fordern.
3 Anmerkung
Wird ein Strafurteil auf ein Rechtsmittel hin aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen, so gilt das weitere Verfahren nach Zurückverweisung als neue Angelegenheit (§ 21 Abs. 1 RVG). Im Gegensatz zu den Verfahren nach Teil 3 VV (Vorbem. 3 Abs. 6 VV) ist hier eine Anrechnung der Verfahrensgebühr nach Zurückverweisung auf die Verfahrensgebühr vor Zurückverweisung nicht vorgesehen.
Es entstehen daher alle Gebühren und Auslagen einschließlich der Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV erneut, mit Ausnahme der Grundgebühr (Anm. zu Nr. 4100 VV).
Beispiel
Der Verteidiger wird nach Anklageerhebung beauftragt. Das AG verurteilt den Angeklagten im ersten Hauptverhandlungstermin. Gegen das Urteil des AG legt der Verteidiger auftragsgemäß Berufung ein. Das LG hebt nach der Hauptverhandlung das Urteil des AG auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung an das AG zurück. Dort findet eine neue Hauptverhandlung statt.
Für das erste Verfahren vor dem AG erhält der Anwalt eine Verfahrensgebühr sowie eine Terminsgebühr und auch eine Grundgebühr, wenn er – wie hier – im vorbereitenden Verfahren noch nicht tätig war. Im Berufungsverfahren entstehen wiederum eine Verfahrensgebühr sowie eine Terminsgebühr. Nach Zurückverweisung erhält der Anwalt für das zweite Verfahren vor dem AG erneut eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr. Nur die Grundgebühr kann nicht erneut anfallen (Anm. Abs. 1 zu Nr. 4100 VV).
I. Verfahren vor dem AG vor Zurückverweisung
1. |
Grundgebühr, Nr. 4106 VV |
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200,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
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165,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, Nr. 4108 VV |
|
275,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
460,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
87,40 EUR |
|
Gesamt |
|
547,40 EUR |
II. Berufung
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4124 VV |
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320,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, Nr. 4126 VV |
|
320,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
660,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
125,40 EUR |
|
Gesamt |
|
785,40 EUR |
III. Verfahren vor dem AG nach Zurückverweisung
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV, § 21 Abs. 1 RVG |
|
165,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, Nr. 4108 VV, § 21 Abs. 1 RVG |
|
275,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
460,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
87,40 EUR |
|
Gesamt |
|
547,40 EUR |
Norbert Schneider
AGS 5/2015, S. 224 - 225