Leitsatz
- Verwahrt jemand vorübergehend wertvolle Gegenstände, die bei einem anderen wegen dessen vermeintlich rechtswidriger Besitzerlangung sichergestellt worden sind, kann dadurch eine rechtliche Sonderbeziehung mit wechselseitigen Rechten und Pflichten entstehen.
- Gibt der Verwahrer rechtswidrig die Sache dem letzten Besitzer nicht zurück und konfrontiert diesen stattdessen mit einer unberechtigten, völlig überzogenen Gegenforderung (hier: auf Zahlung von 17 Mio. EUR), muss der Anspruchsteller dem zu Unrecht in Anspruch Genommenen die zur Abwehr des Anspruchs entstandenen Anwaltskosten erstatten.
- Zur Bemessung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit und zur Frage, ob es sich bei der Abwehr um ein Schreiben einfacher Art handelt, das weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen enthält (hier bejaht).
OLG Koblenz, Urt. v. 9.7.2014 – 5 U 684/12
1 Sachverhalt
Der Kläger erwarb im Jahr 2007 von dritter Seite drei Schalen aus vorchristlicher Zeit und zwei byzantinische Räucherkesselchen. Diese stellte das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst wegen des Verdachts der Hehlerei sicher und gab sie in die Verwahrung des Beklagten zu 2), bei dem der frühere Beklagte zu 1) als Archäologe beschäftigt ist.
Nach einer vom Kläger erfolgreich geführten verwaltungsgerichtlichen Klage hob das Ministerium die Sicherstellung auf und wies den Beklagten zu 2) an, die Antiken herauszugeben. Der Beklagte zu 2) kam dem nicht nach.
Am 10.5.2010 verlangte der Beklagte zu 1) unter dem Briefkopf des Beklagten zu 2) von dem Kläger 17.004.500 EUR, für den Fall, dass es zur Herausgabe der Gegenstände kommen würde. Der Betrag wurde untergliedert in 4.500,00 EUR für "Aufwendungen für Untersuchungen im Zusammenhang mit der Erstellung eines archäologischen Fachgutachtens" und 17 Mio. EUR als "Ausgleich für die Folgen der Rufschädigung durch Unterstützung von Antikenhehlerei", wovon 2 Mio. EUR auf den Beklagten zu 1) und 15 Mio. EUR auf den Beklagten zu 2) entfallen sollten.
Der Kläger beauftragte einen Rechtsanwalt, der den Direktor des Beklagten zu 2) mit Schreiben v. 11.5.2010 aufforderte, sich dazu zu äußern, ob er sich das Schreiben v. 10.5.2010 "zurechnen lassen möchte". Der Beklagte zu 1) teilte daraufhin auch im Namen des Beklagten zu 2) per E-Mail am 12.5.2010 mit, dass er das Schreiben vom 10.5.2010 als gegenstandslos betrachte, da der gegen ihn gerichtete Antrag beim AG zurückgezogen worden sei.
Der Kläger hat in erster Instanz von beiden Beklagten die Freistellung von den Rechtsanwaltskosten begehrt, die ihm in Folge des Vorgehens gegen die erhobenen Forderungen entstanden sind. Da hinsichtlich der Ansprüche deutlich zwischen den Beklagten unterschieden worden sei, müsse ihn der Beklage zu 1) von 11.620,11 EUR und der Beklagte zu 2) von 72.161,36 EUR freistellen.
Die Beklagten haben geltend gemacht, sie hätten sich der Ansprüche nicht ernstlich berühmt und jedenfalls sofort klargestellt, dass sie diese als gegenstandslos betrachten würden.
Das LG hat die Klage gegen beide Beklagten abgewiesen.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Berufung, die der Senat gegen den Beklagten zu 1) durch Beschluss als unbegründet zurückgewiesen und gegen den Beklagten zu 2) als unzulässig verworfen hat. Die Entscheidung zugunsten des Beklagten zu 1) ist rechtskräftig geworden.
Im Verhältnis des Klägers zum Beklagten zu 2) hatte dessen Rechtsbeschwerde Erfolg. Der BGH hat den Senat angewiesen, den Sachverhalt unter Berücksichtigung seiner Rspr. zur Geltendmachung unbegründeter Ansprüche in Sonderrechtsbeziehungen zu prüfen.
Der Kläger beantragt nunmehr (noch), unter Änderung der landgerichtlichen Entscheidung, den Beklagten 2) zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 72.161,36 EUR freizustellen.
2 Aus den Gründen
Die nach der Entscheidung des BGH zulässige und nur noch im Verhältnis zum Beklagten zu 2) zu prüfende Berufung ist unter Berücksichtigung der Rspr. zur Geltendmachung unbegründeter Ansprüche in einer Sonderrechtsbeziehung (BGH v. 16.1.2009 – V ZR 133/08 = NJW 2009, 1262 = AGS 2009, 153 = BauR 2009, 1147; BGH v. 12.12.2006 – VI ZR 224/05 = NJW 2007, 1458 = FamRZ 2007, 550 = AGS 2007, 267 = MDR 2007, 654 = JurBüro 2007, 249) in einem geringen Umfang begründet, im Übrigen (weit überwiegend) zurückzuweisen.
II.1. Wird jemand unberechtigt als Schuldner mit einer Forderung konfrontiert und entstehen ihm in Abwehr dieser Forderung Kosten, so ist zu beachten:
Einen generellen Kostenerstattungsanspruch gegen den, der sich unberechtigt eines Rechts berühmt, kennt die deutsche Rechtsordnung nicht. Mit solchen Ansprüchen konfrontiert zu werden, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, soweit nicht die Voraussetzungen spezieller Haftungsnormen vorliegen (Habscheid, NJW 1958, 1000, 1001; Ulrich, MDR 1973, 559, 560; Ahrens, NJW 1982, 2477, 2478; LG Mannheim GRUR 1985, 328, 329).
Als solche kommen vertragliche, vertragsähnliche (§§ 280, 311 BGB), deliktische (§§ 823, 826 BGB) oder auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftr...