Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen der Anwaltskosten zur Abwehr eines evident nicht bestehenden Anspruchs
Leitsatz (amtlich)
1. Verwahrt jemand vorübergehend wertvolle Gegenstände, die bei einem anderen wegen dessen vermeintlich rechtswidriger Besitzerlangung sichergestellt worden sind, kann dadurch eine rechtliche Sonderbeziehung mit wechselseitigen Rechten und Pflichten entstehen.
2. Gibt der Verwahrer rechtswidrig die Sache dem letzten Besitzer nicht zurück und konfrontiert diesen stattdessen mit einer unberechtigten, völlig überzogenen Gegenforderung (hier: auf Zahlung von 17 Millionen Euro), muss der Anspruchsteller dem zu Unrecht in Anspruch Genommenen die zur Abwehr des Anspruchs entstandenen Anwaltskosten erstatten.
3. Zur Bemessung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit und zur Frage, ob es sich bei der Abwehr um ein Schreiben einfacher Art handelt, das weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen enthält (hier bejaht).
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, §§ 249, 280 Abs. 1 S. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § § 677 ff., §§ 823, 826; RVG § 23 Abs. 3; RVG-VV Nr. 2301; ZPO § 3
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 10.05.2012; Aktenzeichen 1 O 266/10) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Mainz vom 10.5.2012 im Verhältnis zum Beklagten zu 2 teilweise geändert:
Der Beklagte zu 2 wird verurteilt, den Kläger i.H.v. 2.160,57 EUR von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen. Im Übrigen wird die Berufung gegen den Beklagten zu 2 zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die weiteren Kosten des Berufungs- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 2 zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger erwarb im Jahr 2007 von dritter Seite drei Schalen aus vorchristlicher Zeit und zwei byzantinische Räucherkesselchen. Diese stellte das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, wegen des Verdachts der Hehlerei sicher und gab sie in die Verwahrung des Beklagten zu 2, bei dem der frühere Beklagte zu 1 als Archäologe beschäftigt ist.
Nach einer vom Kläger erfolgreich geführten verwaltungsgerichtlichen Klage hob das Ministerium die Sicherstellung auf und wies den Beklagten zu 2 an, die Antiken herauszugeben. Der Beklagte zu 2 kam dem nicht nach.
Am 10.5.2010 verlangte der Beklagte zu 1 unter dem Briefkopf des Beklagten zu 2 von dem Kläger 17.004.500 EUR, für den Fall, dass es zur Herausgabe der Gegenstände kommen würde. Der Betrag wurde untergliedert in 4.500 EUR für "Aufwendungen für Untersuchungen im Zusammenhang mit der Erstellung eines archäologischen Fachgutachtens" und 17.000.000 EUR als "Ausgleich für die Folgen der Rufschädigung durch Unterstützung von Antikenhehlerei", wovon 2.000.000 EUR auf den Beklagten zu 1 und 15.000.000 auf den Beklagten zu 2 entfallen sollten (26-28 GA).
Der Kläger beauftragte einen Rechtsanwalt, der den Direktor des Beklagten zu 2 mit Schreiben vom 11.5.2010 aufforderte, sich dazu zu äußern, ob er sich das Schreiben vom 10.5.2010 "zurechnen lassen möchte". Der Beklagte zu 1 teilte darauf hin auch im Namen des Beklagten zu 2 per E-Mail am 12.5.2010 mit, dass er das Schreiben vom 10.5.2010 als gegenstandslos betrachte, da der gegen ihn gerichtete Antrag beim AG Mainz zurückgezogen worden sei (36 GA).
Der Kläger hat in erster Instanz von beiden Beklagten die Freistellung von den Rechtsanwaltskosten begehrt, die ihm in Folge des Vorgehens gegen die erhobenen Forderungen entstanden sind. Da hinsichtlich der Ansprüche deutlich zwischen den Beklagten unterschieden worden sei, müsse ihn der Beklage zu 1 von 11.620,11 EUR und der Beklagte zu 2 von 72.161,36 EUR freistellen.
Die Beklagten haben geltend gemacht, sie hätten sich der Ansprüche nicht ernstlich berühmt und jedenfalls sofort klargestellt, dass sie diese als gegenstandslos betrachten würden.
Das LG hat die Klage gegen beide Beklagten abgewiesen.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Berufung, die der Senat mit Beschluss vom 26.2.3013 gegen den Beklagten zu 1 als unbegründet zurückgewiesen und gegen den Beklagten zu 2 als unzulässig verworfen hat. Die Entscheidung zugunsten des Beklagten zu 1 ist rechtskräftig geworden.
Im Verhältnis des Klägers zum Beklagten zu 2 hatte dessen Rechtsbeschwerde Erfolg. Der BGH hat den Senat angewiesen, den Sachverhalt unter Berücksichtigung seiner Rechtsprechung zur Geltendmachung unbegründeter Ansprüche in Sonderrechtsbeziehungen zu prüfen.
Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme, insbesondere zur Höhe der Forderung gegeben (425 GA).
Der Kläger beantragt nunmehr (noch), unter Änderung der landgerichtlichen Entscheidung, den Beklagten 2 zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 72.161,36 EUR freizustellen.
Die Beklagte zu 2 beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II. Die na...