Leitsatz
Eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO kommt bei einer Änderung der Einkommensverhältnisse nur in Betracht, wenn die Veränderung wesentlich ist. § 120a Abs. 2 S. 2 ZPO ist in diesem Zusammenhang so auszulegen, dass eine Einkommensverbesserung nur dann wesentlich ist, wenn sie 100,00 EUR übersteigt und dies dazu führt, dass die Prozesskostenhilfepartei nunmehr in der Lage wäre, die Kosten des Verfahrens ganz, teilweise oder in Raten zu erbringen.
LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.10.2015 – 4 Ta 26/15
1 Sachverhalt
Der Kläger richtet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung.
Dem Kläger wurde mit Beschluss des ArbG Prozesskostenhilfe bewilligt für die Durchführung des Klageverfahrens und ihm seine Prozessbevollmächtigte beigeordnet worden. Eine Ratenzahlungsanordnung erfolgte nicht. Dem Beschluss war eine Anlage "Ermittlung einer Zahlungsverpflichtung" beigefügt. Aus dieser ergibt sich, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Prozesskostenhilfebewilligung lediglich über Einkommen aus Arbeitslosengeldbezug verfügte i.H.v. 325,00 EUR monatlich. Dies führte zu einem gem. § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzenden Einkommen i.H.v. 588,00 EUR.
Auf Aufforderung des ArbG legte der Kläger eine neue Formularerklärung "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe" vor, die der Kläger auf Aufforderung des ArbG ergänzte und mit diesen Ergänzungen erneut beim ArbG vorlegte. Aus dieser Erklärung ergibt sich, dass der Kläger seit 4.5.2015 in einem neuen Arbeitsverhältnis steht und monatlich ein Nettoentgelt i.H.v. 920,47 EUR bezieht. Auf der Grundlage dieser neuen Einkünfte ermittelte das ArbG ein einzusetzendes Einkommen gem. § 115 Abs. 2 ZPO i.H.v. 112,53 EUR.
Wegen der nicht unverzüglich erfolgten Mitteilung über die Änderung seiner Einkommensverhältnisse hob das ArbG die Prozesskostenhilfebewilligung wieder auf. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende sofortige Beschwerde.
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Beschwerde vor, er habe die Belehrung auf dem Formularvordruck nicht verstanden und habe nicht gewusst, dass er weitergehende Meldepflichten bei Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse habe.
Das ArbG half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte diese dem LAG zur Entscheidung vor.
2 Aus den Gründen
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Das ArbG durfte die Prozesskostenhilfebewilligung nicht gem. § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO aufheben.
1. Gem. § 120a Abs. 1 S. 1 ZPO soll das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben. Mit der zum 1.1.2014 in Kraft getretenen Neuregelung des § 120a Abs. 2 ZPO wurde die Prozesskostenhilfepartei verpflichtet, wesentliche verbessernde Änderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Zweck dieser Regelung war unter anderem, eine Angleichung an die auch im Sozialrecht geltenden Mitteilungspflichten gem. § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I zu erreichen (BT-Drucks 17/11472, S. 24, 33). Diese Mitteilungspflicht dient der Erleichterung der Tatsachenermittlung für die Entscheidungsfindung gem. § 120a Abs. 1 S. 1 ZPO. Gem. § 120a Abs. 2 S. 2 ZPO ist eine Einkommensverbesserung bei laufenden monatlichen Einkommen nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zugrunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100,00 EUR übersteigt. Folge eines Verstoßes gegen diese Mitteilungspflicht ist gem. § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wieder aufgehoben werden soll, wenn die Änderungsmitteilung über die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht rechtzeitig erfolgt ist. Die Rechtsfolge des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hat nach einhelliger Auffassung Sanktionscharakter (BT-Drucks 17/11472, S. 35; LAG Baden-Württemberg v. 10.6.2015 – 4 Ta 8/15, NZA-RR 2015, 438; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Aufl., Rn 834; Natter, FA 2014, 2090, 2091).
2. Vorliegend ist festzustellen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers seit Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses ab 4.5.2015 um mehr als 100,00 EUR monatlich verbessert haben. Der Kläger hat diese Änderung in seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht unverzüglich mitgeteilt. Dies führt aber nicht dazu, dass eine Aufhebung der Prozesskostenhilfeentscheidung gem. § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO geboten wäre. Die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse war nämlich nicht wesentlich, da sie auch bei rechtzeitiger Mitteilung nicht dazu geführt hätte, dass die Prozesskostenhilfeentscheidung hätte geändert werden können.
a) Nach § 124 Abs. 1 S. 4 ist die Prozesskostenhilfebewilligung lediglich aufzuheben, wenn die Prozesskostenhilfepartei wesentliche Verbesse...