Faites vos jeux!
Die Entscheidung des OLG München belegt erneut die These, dass die Führung von Gebührenprozessen einem Glücksspiel gleicht und sichere Prognosen selbst bei eindeutiger Rechtslage und eindeutigen Gesetzestexten nicht zulässt.
Gebührenrechtler pflegen sinnvollerweise die Frage des Mandanten nach Erfolgsaussichten in die eine oder andere Richtung mit einer Prognose zu beantworten, die die Einschränkung enthält: "Dies gilt allerdings nur bei richtiger Sachbehandlung durch das Gericht, die naturgemäß nicht garantiert werden kann."
Das Verbot, bei anwaltlicher Tätigkeit vor Gericht die gesetzlichen Gebühren zu unterschreiten, ist eigentlich deutlich und wird bei zutreffender Auslegung der Kommentierung auch nicht relativiert.
Die hier besprochene Entscheidung des OLG München muss demgemäß selbst dann als überraschend bezeichnet werden, wenn man sie als Fortsetzung einer Entscheidung des 21. Senats des OLG München vom 22.3.2002 betrachtet.
Auch in dieser älteren Entscheidung ist an einer Stelle in der Tat davon die Rede, dass man die Frage, ob eine Gebührenunterschreitung vorliege, anhand einer Sicht ex ante zu beantworten habe.
Offensichtlich glaubte sich der hier betroffene Senat in der neueren Entscheidung also in guter Gesellschaft, zumal er meinte, in der Kommentierung von Henssler/Kilian eine weitere Stütze für die hier kritisierte Rechtsauffassung gefunden zu haben.
Tatsächlich hat bereits das OLG München in der zitierten älteren Entscheidung differenziert und die dort noch durchaus gesehene Rechtsfolge von § 134 BGB "entsprechend dem Schutzzweck des Verbots (…) auf die unzulässige Abrede" bezogen.
Insoweit wurde dann in der dortigen Pauschalhonorarvereinbarung – gewissermaßen bezogen auf den nichtigen Teil – eine Reduzierung des vereinbarten Honorars vorgenommen. Ob diese Überlegung richtig ist, mag dahingestellt bleiben, wenngleich die Regelung in § 139 BGB eine andere Sprache spricht.
Jedenfalls kann sich das OLG gerade bei dem hier zu beurteilenden Rahmenvertrag nicht darauf berufen, der Rechtsanwalt habe nicht wenigstens billigend in Kauf genommen, dass die vereinbarte Vergütung unter der nach dem RVG für die voraussichtliche Tätigkeit geschuldeten Vergütung bleibt.
Insoweit ist auch der Hinweis auf eine angebliche Abgrenzung von der Entscheidung des AG München vom 10.2.2011 wenig verständlich:
Das OLG München argumentiert, die dortige Vereinbarung habe sich ja auf einen konkreten Rechtsstreit bezogen, was bei Rahmenvereinbarungen gerade nicht der Fall sei.
Hierzu ist nur zu bemerken: Umgekehrt wird ein Schuh draus:
Gerade bei weitreichenden Rahmenverträgen, die eine unbekannte Anzahl von Rechtsstreitigkeiten mit unbekannten Gegenstandswerten in unbekannter Höhe miteinbeziehen wollen, ist eine Unterschreitung der gesetzlichen Gebühren auch bei anwaltlicher Tätigkeit vor Gericht zumindest wahrscheinlich, so dass der betroffene Rechtsanwalt eine vereinbarte Vergütungsunterschreitung definitiv in Kauf nimmt.
Die Formulierung "Sicht ex ante" bezieht sich denn in der Kommentierung auch weniger auf den Zeitpunkt der Prognose, sondern darauf, dass es einem Rechtsanwalt im Nachhinein, also nach Beendigung des Mandates nicht verboten ist, eine Reduzierung der gesetzlichen Gebühren vorzunehmen. Dies kommt in der Kommentierung von Hartung, auf die sich Kilian ja bezieht, mit erfrischender Deutlichkeit auch zum Ausdruck.
Bei richtiger Sachbehandlung lässt sich auch nicht umgekehrt argumentieren, es sei von Anfang an absehbar gewesen, dass die gesetzlichen Gebühren ohnehin überschritten werden. Demgemäß liege kein Verstoß vor, auch dann nicht, wenn nicht ausdrücklich für die gerichtliche Tätigkeit die gesetzlichen Gebühren als Mindestgebühren festgelegt sind.
Ein solcher Einwand ist unbeachtlich, da bereits zu Beginn des Mandates und bei Abschluss der Vergütungsvereinbarung der Hinweis zwingend und unabdingbar zu erfolgen hat, wenn nicht eine Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung eintreten soll.
Dies lässt sich schon damit begründen, dass zu Beginn des Mandates überhaupt nicht absehbar ist, welcher Arbeitsaufwand mit der Bearbeitung des Mandates verbunden sein wird, und noch weniger lässt sich voraussagen, wie sich das Verfahren gestaltet.
So ist beispielsweise denkbar, dass der Prozess nach Mandatsvergabe, aber vor Entfaltung nennenswerter Tätigkeit durch Klagerücknahme endet, bevor der korrekt ermittelte Betrag einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV durch die Stundenabrechnung erreicht wird.
Die Abrechnung eines Zeitaufwandes von nur wenigen Stunden, und sei es auch nur unter Zugrundelegung eines hohen Stundensatzes, bleibt dann leicht unter der zwingend geschuldeten gesetzlichen Gebühr.
Bei "richtiger Sachbehandlung" hätte sich der Honoraranspruch des Rechtsanwalts also auf die gesetzlichen Gebühren beschränken müssen.
Denn auch bei der hier unterstellten Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung im Ganzen bleibt der Anwaltsvertrag natürlich wirksam, so dass für die erbrachte Anwaltsleistung die gesetzlichen Ge...