Die Entscheidung des OLG ist zutreffend und überzeugend begründet. Leider geht die überwiegende Rechtsprechung – aus meiner Sicht aber unzutreffend – spätestens seit Inkrafttreten des 2. KostRMoG und auf der Grundlage einer damit einhergehenden falschen Auslegung der mit § 48 Abs. 3 RVG einhergehenden Änderung bzw. Klarstellung des Gesetzgebers davon aus, dass außerhalb des § 48 Abs. 3 RVG die Verfahrens- und Terminsdifferenzgebühren selbst dann aus der Landeskasse nicht zu erstatten seien, wenn sich die Bewilligung der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe auf "den Mehrvergleich erstreckt" (OLG Dresden NJW-RR 2015, 1159 = FamRZ 2015, 1826; NJW 2014, 2804 = FamRZ 2014, 1879; OLG Koblenz, Beschl. v. 26.1.2015 – 13 WF 67/15, AGS 2015, 141; NJW-RR 2015, 61 = FamRZ 2014, 1877; Beschl. v. 19.5.2014 – 13 WF 369/14, AGS 2014, 348; OLG Celle, NJW 2011, 1296 = FamRZ 2011, 835).
Im Gegensatz dazu bejaht neben dem OLG Stuttgart auch das OLG Celle (Beschl. v. 8.5.2014 – 15 UF 166/13, FamRZ 2014, 1878), dass die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für den Mehrvergleich zur Erstattung der entstehenden Vergütung aus der Landeskasse führt: "Wird Verfahrenskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleichs in einer Familiensache auch insoweit bewilligt, als er sich auf anderweitig anhängige und auf nicht anhängige Streitigkeiten der Beteiligten erstreckt, so hat der Gesetzgeber mit der Neufassung von § 48 Abs. 3 S. 1 RVG nunmehr klargestellt, dass über die Einigungsgebühr hinaus eine Verfahrens- und eine Verhandlungsdifferenzgebühr zu vergüten ist."
Vermittelnd nimmt die Rechtsprechung an, dass eine ausdrückliche Erstreckung der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe auf die Verfahrensdifferenz- und Terminsdifferenzgebühr durch gesonderten Beschluss zulässig ist und im Ergebnis zur Erstattung der jeweiligen Gebühren aus der Landeskasse führt (OLG Celle, Beschl. v. 26.2.2015 – 10 WF 28/15, AGS 2015, 236). Allerdings wird auch dies teilweise – ebenso unzutreffend – abgelehnt (OLG Dresden, Beschl. v. 13.11.2015 v 22 WF 926/15, AGS 2016, 21).
Bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Frage sollte der Anwalt deshalb nach wie vor darauf achten, nicht nur für die Erstreckung des Mehrwerts des Vergleichs Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe zu beantragen, sondern ausdrücklich die Erstreckung auch auf "alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten", insbesondere auf die entstehende Verfahrensdifferenz- und Terminsdifferenzgebühr, zu beantragen. Wird eine solche Erstreckung nicht ausgesprochen, muss der Anwalt den Auftraggeber darüber aufklären, dass er die Differenzgebühren nach der Wahlanwaltstabelle selbst zu zahlen verpflichtet sein wird, was dann nicht der Fall sein dürfte, wenn der gerichtlich nicht anhängige Verfahrensgegenstand in einem gesonderten Verfahren verfolgt wird, für das dann wiederum Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden kann. Dies dürfte dann in vielen Fällen wirtschaftlich wesentlich günstiger für den Auftraggeber sein. Eine Entlastung der Gerichte geht damit nicht einher. Wegweisend sollte daher die Entscheidung des OLG sein, die auch allein mit dem Gesetz vereinbar ist.
Lotte Thiel
AGS 5/2016, S. 239 - 241