ZPO § 91 Abs. 2; RVG VV Nr. 7003 ff.
Leitsatz
Hält sich ein Verfahrensbeteiligter am Sitz des Verfahrensgerichts regelmäßig auf, sei es, weil er dort einen weiteren Wohnsitz unterhält oder etwa, weil er an diesem Ort seinen Beruf ausübt, bedarf es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung regelmäßig nicht der Einschaltung eines auswärtigen, am (Erst-)Wohnsitz des Verfahrensbeteiligten ansässigen Rechtsanwalts.
OLG Koblenz, Beschl. v. 3.3.2016 – 7 WF 205/16
1 Aus den Gründen
Die in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende, insbesondere fristgerecht erhobene, sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das AG hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die von der Antragstellerin geltend gemachten Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder ihres Verfahrensbevollmächtigten sowie die behaupteten eigenen Aufwendungen abgesetzt.
Nach § 113 Abs. 1 FamFG, § 91 Abs. 2 ZPO sind die tatsächlich entstandenen und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten erstattungsfähig. Dazu zählen die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts. Reisekosten und Abwesenheitsgelder eines Rechtsanwalts, der nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassen ist und auch am Ort des Verfahrensgerichts nicht wohnt, sind nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist.
Insoweit gilt wie auch sonst im Kostenrecht das Kostenschonungsgebot. Danach ist jeder Beteiligte verpflichtet, die Kosten der Verfahrensführung, die im Falle des Obsiegens vom Gegner erstattet werden sollen, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung seiner berechtigten Belange vereinbaren lässt (BGH MDR 2013, 1493 m.w.N. [= AGS 2014, 95]).
Danach war vorliegend die Hinzuziehung eines nicht am Ort des Verfahrensgerichts niedergelassenen Rechtsanwalt entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht notwendig.
Allerdings weist die Antragstellerin im Ansatz zu Recht darauf hin, dass grundsätzlich die Zuziehung eines am Ort Ihres Wohnsitzes ansässigen Rechtsanwalts als eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung anzusehen ist, weil ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch zwischen Partei und Anwalt mindestens zu Beginn des Mandats in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle erforderlich und sinnvoll ist (so etwa BGH FamRZ 2004, 866).
Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles kann die Partei nach dem Kostenschonungsgebot verpflichtet sein, einen am Ort des Verfahrensgerichts ansässigen Rechtsanwalt mit der Vertretung im Verfahren zu beauftragen und nicht einen an Ihren Wohnort ansässigen. Ein solcher Ausnahmefall liegt regelmäßig dann vor, wenn die Partei auch am Sitz des Verfahrensgerichts einen Wohnsitz unterhält und sich dort auch regelmäßig aufhält, etwa weil sie an diesem Ort ihren Beruf ausübt. Denn dann bedarf es nicht der Einschaltung eines am Erstwohnsitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (OLG Celle, Beschl. v. 3.6.2013, FamRZ 2013, 1921 [= AGS 2014, 48]).
So liegt der Fall hier. Zum einen unterhält die Antragstellerin auch am Ort des Verfahrensgerichts einen Wohnsitz, und zwar "…". Entscheidend aber ist, dass sich die Antragstellerin regelmäßig am Ort des Verfahrensgerichts aufhielt und wohl noch aufhält, weil sie dort am dortigen Klinikum ihren Beruf als Krankenschwester ausübt. Mithin wäre es ihr ohne weitere Umstände und zusätzliche Anstrengungen möglich gewesen, einen Rechtsanwalt am Ort des Verfahrensgerichts zu beauftragen (vgl. OLG Celle a.a.O.). Dadurch wären die Verfahrenskosten entsprechend dem Kostenschonungsgebot gering gehalten worden und keine unverhältnismäßig hohen Anwaltskosten entstanden. Ebenso wenig hätte es der Einschaltung eines Verkehrsanwalts bedurft.
Mitgeteilt von RiOLG Andreas Oeley, Koblenz
AGS 5/2017, S. 256 - 257