KostO §§ 107, 130, 30, 31, 32; FamFG § 81; RVG § 33
Leitsatz
- Der Gegenstandswert im Erbscheinsverfahren richtet sich nach dem Wert des Nachlasses unter Abzug der Nachlassverbindlichkeiten einschließlich etwaiger (Voraus-) Vermächtnisse. Maßgeblich für die Bestimmung des Gegenstandswertes ist sodann das wirtschaftliche Interesse, das der Antragsteller mit seinem Antrag verfolgt.
- Bei widerstreitenden Anträgen mehrerer Beteiligter kann über deren Kostentragungspflicht entsprechend § 81 FamFG entschieden werden.
- Für die zu erstattenden Kosten richtet sich der Gegenstandswert für den jeweiligen Beteiligten ebenfalls nach dessen wirtschaftlichem Interesse, bei dem maßgeblich auf den jeweilig geltend gemachten Erbteil abzustellen ist.
- Der Gegenstandswert für die gerichtlichen Gebühren und für die Gebühren der anwaltlichen Vertretung eines Beteiligten kann daher unterschiedlich hoch ausfallen. Für letztere ist er auf Antrag gesondert nach § 33 RVG festzusetzen.
OLG Bremen, Beschl. v. 9.1.2012 – 5 W 35/11
1 Sachverhalt
Die Beteiligte zu 1) und Beschwerdeführerin ist durch notarielles Testament der Erblasserin zur Erbin zu ½ eingesetzt worden, davon zu ¼ als Ersatzerbin nach ihrem vorverstorbenen Vater. Zugleich hat die Erblasserin der Beteiligten zu 1) zwei Grundstücke als Vorausvermächtnis zugewandt. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind nach diesem Testament jeweils Erben zu ¼. Die Beteiligte zu 1) hat geltend gemacht, sie sei auf Grund späterer privatschriftlicher Verfügungen der Erblasserin Alleinerbin geworden und hat einen entsprechenden Erbschein beantragt.
Mit – inzwischen rechtskräftigem – Beschluss hat das AG den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung dieses Erbscheines zurückgewiesen und ihr die Verfahrenskosten auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die späteren privatschriftlichen Erklärungen der Erblasserin seien keine letztwilligen Verfügungen und hätten daher an dem notariellen Testament nichts geändert. Mit weiterem Beschluss hat es den Gegenstandswert für das Erbscheinsverfahren auf 949.839,89 EUR festgesetzt entsprechend dem Wert des Nachlasses ohne Abzug der Vermächtnisse.
Die Beteiligte zu 1) wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen diese Festsetzung des Gegenstandswertes und beantragt, diesen entsprechend dem Erbteil des Beteiligten zu 2) nach vorherigem Abzug des Vermächtnisses vom Nachlasswert auf lediglich 81.500,00 EUR festzusetzen. Der Beteiligte zu 2) verteidigt den angefochtenen Beschluss und hat im Kostenfestsetzungsverfahren beantragt, die Gebühren für seine anwaltliche Vertretung nach dem vom AG beschlossenen Gegenstandswert festzusetzen.
Die Beschwerde hatte teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen
In dem angefochtenen Beschluss hat das AG den Gegenstandswert für das Verfahren auf Erteilung eines Erbscheines auf 949.839,89 EUR festgesetzt. Dabei hat es sich ersichtlich von der Berechnung gem. Verfügung vom 7.6.2011 leiten lassen, die wiederum auf den Wertangaben der Beteiligten zu 1) im Rahmen der Testamentseröffnung beruht.
Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern. Zum einen legt das Gericht für die Bemessung des Gegenstandswertes den § 107 Abs. 2 KostO zugrunde, der allerdings nur für den Fall der Erteilung des Erbscheines gilt, während sich die hier vorliegende Ablehnung der Erteilung des Erbscheins nach § 130 KostO richtet, wobei wiederum der Gegenstandswert nach § 30 Abs. 1 KostO zu schätzen ist (Hartmann, KostG, 40. Aufl., KostO, § 107 Rn 10 und § 130, Rn 10). Maßgeblich ist indessen auch hier zunächst der Wert des beantragten Geschäftes (vgl. Hartmann, a.a.O.), wobei allerdings im Falle des § 130 Abs. 1 KostO anders als bei §107 KostO nur eine halbe Gebühr anfällt, die zudem auf höchstens 400,00 EUR begrenzt wird.
Grundsätzlich zutreffend ist das AG zwar vom Gesamtwert des Nachlasses ausgegangen, hat bei dessen Bemessung allerdings das zweite Grundstück in B. im Werte von 65.000,00 EUR bei seiner Berechnung übersehen. Darauf kommt es jedoch im Ergebnis deshalb nicht entscheidend an, weil die Grundstücke der Erblasserin bei der Bemessung des Nachlasswertes ohnehin unberücksichtigt zu bleiben hatten. Wie zwischen den Beteiligten außer Streit steht, wurden der Beteiligten zu 1) nach dem hier maßgeblichen notariellen Testament der Erblasserin deren Immobilien auf N. und in B. im Rahmen eines Vorausvermächtnisses zugewandt. Solche mit einem Vermächtnis belasteten Vermögensgegenstände haben entgegen der Auffassung des AG in seinem angefochtenen Beschluss bei der Wertberechnung des Aktivvermögens außer Ansatz zu bleiben bzw. sind von diesem als Nachnachlassverbindlichkeiten in Abzug zu bringen (BayObLGZ 1993, 115, 118 Horndasch/Viefhues/Heinemann, FamFG, 2. Aufl., § 352 Rn 50; Hartmann, a.a.O., § 107 Rn 14 m. w. Nachw.). Soweit sich diese Fundstellen auf § 107 KostO beziehen, kann für die §§ 130, 30 KostO nicht anderes gelten, da es auch dort bei der Ermittlung des Nachlassvermögens um die Ausübung des freien Ermessens nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geht (Hartmann, a.a.O., § 130 Rn 10 und § 30 Rn 14).
Zugrundezulegen ist damit de...