Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des Gegenstandswertes im Erbscheinsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Der Gegenstandswert im Erbscheinsverfahren richtet sich nach dem Wert des Nachlasses unter Abzug der Nachlassverbindlichkeiten einschließlich etwaiger (Voraus-) Vermächtnisse. Maßgeblich für die Bestimmung des Gegenstandswertes ist sodann das wirtschaftliche Interesse, das der Antragsteller mit seinem Antrag verfolgt.
2. Bei widerstreitenden Anträgen mehrerer Beteiligter kann über deren Kostentragungspflicht entsprechend § 81 FamFG entschieden werden.
3. Für die zu erstattenden Kosten richtet sich der Gegenstandswert für den jeweiligen Beteiligten ebenfalls nach dessen wirtschaftlichem Interesse, bei dem maßgeblich auf den jeweilig geltend gemachten Erbteil abzustellen ist.
4. Der Gegenstandswert für die gerichtlichen Gebühren und für die Gebühren der anwaltlichen Vertretung eines Beteiligten kann daher unterschiedlich hoch ausfallen. Für letztere ist er auf Antrag gesondert festzusetzen.
Normenkette
KostO §§ 107, 130, 30-32; FamFG § 81; RVG § 33
Verfahrensgang
AG Bremen-Blumenthal (Beschluss vom 17.08.2011; Aktenzeichen 50 VI 722/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. vom 27.8.2011 wird der Beschluss des AG Bremen-Blumenthal vom 17.8.2011 dahingehend geändert, dass der Gegenstandswert auf 324.919,94 EUR festgesetzt wird. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden im Verhältnis zwischen der Beteiligten zu 1. und dem Beteiligten zu 2. gegeneinander aufgehoben.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.206 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1. und Beschwerdeführerin ist durch notarielles Testament der Erblasserin vom 25.4.1995 zur Erbin zu ½ eingesetzt worden, davon zu ¼ als Ersatzerbin nach ihrem vorverstorbenen Vater. Zugleich hat die Erblasserin der Beteiligten zu 1. zwei Grundstücke als Vorausvermächtnis zugewandt. Die Beteiligten zu 2. und 3. sind nach diesem Testament jeweils Erben zu ¼. Die Beteiligte zu 1. hat geltend gemacht, sie sei auf Grund späterer privatschriftlicher Verfügungen der Erblasserin Alleinerbin geworden und hat einen entsprechenden Erbschein beantragt.
Mit -inzwischen rechtskräftigem- Beschluss vom 29.4.2011 hat das AG Bremen- Blumenthal den Antrag der Beteiligten zu 1. auf Erteilung dieses Erbscheines zurückgewiesen und ihr die Verfahrenskosten auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die späteren privatschriftlichen Erklärungen der Erblasserin seien keine letztwilligen Verfügungen und hätten daher an dem notariellen Testament nichts geändert. Mit weiterem Beschluss vom 17.8.2011 hat es den Gegenstandswert für das Erbscheinsverfahren auf 949.839,89 EUR festgesetzt entsprechend dem Wert des Nachlasses ohne Abzug der Vermächtnisse.
Die Beteiligte zu 1. wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen diese Festsetzung des Gegenstandswertes und beantragt, diesen entsprechend dem Erbteil des Beteiligten zu 2. nach vorherigem Abzug des Vermächtnisses vom Nachlasswert auf lediglich 81.500 EUR festzusetzen. Der Beteiligte zu 2. verteidigt den angefochtenen Beschluss und hat im Kostenfesetzungsverfahren beantragt, die Gebühren für seine anwaltliche Vertretung nach dem vom AG beschlossenen Gegenstandswert festzusetzen.
II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. vom 27.9.2011 gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes durch Beschluss vom 17.8.2011 ist zulässig, insbesondere innerhalb der 6 - Monats-Frist des § 31 Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 3. KostO erhoben worden. Sie erreicht den Beschwerdewert des § 31 Abs. 2 KostO. Sie erweist sich auch als teilweise begründet.
In dem angefochtenen Beschluss hat das AG den Gegenstandswert für das Verfahren auf Erteilung eines Erbscheines auf 949.839,89 EUR festgesetzt. Dabei hat es sich ersichtlich von der Berechnung gemäß Verfügung vom 7.6.2011 (Bl. 85 R. d.A.) leiten lassen, die wiederum auf den Wertangaben der Beteiligten zu 1. im Rahmen der Testamentseröffnung beruht (vgl. Aufstellung der Antragstellerin vom 14.9.2010 in der Akte des Nachlassgerichtes, AG Bremen- Blumenthal, 50 IV 482/10, Bl. 15, 15 R).
Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern. Zum einen legt das Gericht für die Bemessung des Gegen-standswertes den § 107 Abs. 2 KostO zugrunde, der allerdings nur für den Fall der Erteilung des Erbscheines gilt, während sich die hier vorliegende Ablehnung der Erteilung des Erbscheins nach § 130 KostO richtet, wobei wiederum der Gegenstandswert nach § 30 Abs. 1 KostO zu schätzen ist (Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., KostO, § 107 Rz. 10 und § 130 Rz. 10). Maßgeblich ist indessen auch hier zunächst der Wert des beantragten Geschäftes (vgl. Hartmann, a.a.O.), wobei allerdings im Falle des § 130 Abs. 1 KostO anders als bei § 107 KostO nur eine halbe Gebühr anfällt, die zudem auf höchstens 400 EUR begrenzt wird.
Grundsätzlich zutreffend ist das AG zwar vom Gesamtwert des Nachlasses ausgegangen, hat bei dessen Bemessung allerdings das zweite Grundstück in B. im Werte von 65.000 EUR bei sein...