ZPO §§ 3, 6; BGB § 2174
Leitsatz
Der Streitwert der Klage gegen einen oder mehrere Miterben auf Übereignung eines durch Vermächtnis zugewandten Grundstücks (Erklärung der Auflassung und Bewilligung der Grundbucheintragung) richtet sich nach dem vollen Verkehrswert des Grundstücks und nicht lediglich nach dem Erbteil der verklagten Miterben entsprechenden Bruchteil dieses Wertes.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.3.2012 – 12 W 444/12
1 Sachverhalt
Die Erblasserin war von einer aus 15 Personen bestehenden Erbengemeinschaft – darunter den beiden Beklagten mit einem Erbteil von jeweils 1/10 – beerbt worden.
Zur Erfüllung des Vermächtnisses hatte die Klägerin einen notariellen Grundstücksübereignungsvertrag mit einer Miterbin geschlossen, die hierbei auch im Namen sämtlicher weiterer Miterben handelte. Außer den beiden Beklagten hatten alle Miterben diesen Vertrag genehmigt.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage von den Beklagten primär Genehmigung der notariellen Vermächtniserfüllungsurkunde, hilfsweise Erklärung der Auflassung und der Eintragungsbewilligung hinsichtlich des vermachten Grundstücks begehrt. Im Laufe des Rechtsstreits haben der Beklagte zu 2) sowie die Beklagte zu 1) die notarielle Vermächtniserfüllungsurkunde jeweils genehmigt. In der Folge haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Verkehrswert des der Klägerin vermachten Grundstücks beträgt unstreitig (mindestens) 63.000,00 EUR.
Das LG hat den Streitwert vorläufig auf 75.000,00 EUR festgesetzt. Nach übereinstimmender Erledigterklärung hat es den Streitwert auf 12.600,00 EUR festgesetzt; hierbei hat es die von beiden Beklagten geforderte Zustimmung entsprechend der Höhe deren Erbanteils von jeweils 1/10 mit jeweils 10 % des Grundstückswertes von 63.000,00 EUR, somit mit jeweils 6.300,00 EUR bewertet.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, mit der eine Heraufsetzung des Streitwerts auf 63.000,00 EUR begehrt wird, da das verfahrensgegenständliche Interesse der Klägerin mit dem gesamten Grundstückswert zu bemessen sei.
Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG vorgelegt. Dort hatte die Beschwerde zum Teil Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Da mit der Beschwerde geltend gemacht wird, das LG habe den Streitwert zu niedrig festgesetzt, ist nicht die Klägerin Beschwerdeführer (diese wäre durch eine zu niedrige Wertfestsetzung nicht beschwert). Es handelt sich vielmehr gem. § 32 Abs. 2 RVG um eine Beschwerde ihres Prozessbevollmächtigten aus eigenem Recht. Auch wenn dies in der Beschwerdeschrift nicht expressis verbis erkennbar ist, ist von dem "prozessual Vernünftigen" auszugehen und im Zweifelsfall anzunehmen, dass der Prozessbevollmächtigte die Beschwerde gegen eine vorgeblich zu niedrige Wertfestsetzung nur im eigenen Namen eingelegt hat (Hartmann, KostG, 40. Aufl., § 32 RVG Rn 14).
2. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Sie ist gem. § 32 Abs. 1 RVG, § 68 Abs. 1 GKG statthaft. Der Prozessbevollmächtigte der Partei ist befugt, im eigenen Namen – wie hier geschehen – die gerichtliche Wertfestsetzung nach § 63 GKG im Beschwerdeverfahren gem. § 68 GKG zur Überprüfung zu stellen (vgl. Zöller/Herget ZPO, 29. Aufl., § 3 Rn 9, 10 unter Hinweis auf § 32 Abs. 2 S. 1 RVG).
b) Die Zulässigkeit der Beschwerde richtet sich – ebenso wie bei einer Beschwerde namens der Partei – nach § 68 GKG. Die Beschwerdefrist von sechs Monaten seit Erledigung des Verfahrens ist gewahrt (§ 68 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 S. 2 GKG). Die Erwachsenheitssumme (200,00 EUR) des § 68 Abs. 1 S. 1 GKG ist überschritten, da der maßgebliche Unterschiedsbetrag der Gebühr des Beschwerdeführers, berechnet nach dem festgesetzten und dem mit der Beschwerde beantragten Streitwert (vgl. Zöller/Herget, ZPO a.a.O. § 3 Rn 9 a.E.), höher ist.
c) Das Beschwerdegericht hat die Entscheidung des Prozessgerichts in vollem Umfang nachzuprüfen, wobei an die Stelle des Ermessens der ersten Instanz dasjenige des Beschwerdegerichts tritt; wegen der amtswegigen Abänderungsmöglichkeit nach § 63 Abs. 3 S. 1 GKG gilt auch kein Verschlechterungsverbot (Zöller/Herget, ZPO a.a.O. § 3 Rn 13).
d) Der auf die Beschwerde nach § 32 Abs. 2 RVG ergehende Beschluss bindet alle Beteiligten, nicht nur den Beschwerdeführer (Hartmann, KostG, 40. Aufl., GKG § 68 Rn 19 und RVG § 32 Rn 22).
3. Die Beschwerde führt zur Abänderung der angefochtenen Streitwertfestsetzung.
a) Für die Wertberechnung maßgebend ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung bei Einleitung des Rechtszuges (§ 40 GKG).
Im vorliegenden Fall verbleibt es bei der für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten allgemein geltenden Bestimmung des § 48 GKG, dass sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands (§§ 2 bis 9 ZPO) richten.
b) Der Wert wird durch den Streitgegenstand bestimmt, der gleich demjenigen ist, was die Partei begehrt und mit ihrem Angriff erreichen will. Diesen Streitgegenstand legen (Klage)-Antrag und (Klage)-Begründung f...